Nach Urteil des Berliner Sozialgerichts sind Jobcenter nicht dazu verpflichtet, das Schulgeld für den Besuch einer allgemeinbildenden Privatschule (hier Waldorfschule) zu übernehmen.

Durch die unentgeltlichen öffentlichen Regelschulen wird der Bedarf an Schulbildung ausreichend gedeckt, so das Gericht. Zusätzliche Bildungsleistungen kommen nur ergänzend in Betracht, z. B. für die Schülerbeförderung, für die Mittagsverpflegung, für Gegenstände der persönlichen Schulausstattung (Schulranzen usw.) und für vorübergehend notwendigen Nachhilfeunterricht.

Der Sachverhalt

Der im Jahr 2000 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner aus Thailand stammenden alleinerziehenden Mutter und einer kleineren Schwester in Berlin-Wedding. Er besucht eine private Waldorfschule im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, für die ein monatliches Schulgeld von 90 Euro zu entrichten ist. Das Jobcenter Berlin-Mitte lehnte die beantragte Übernahme dieser Schulkosten ab. Es sei zwar nachvollziehbar, dass die Mutter dem Kläger eine ordentliche Schulbildung zukommen lassen wolle. Diese sei jedoch auch durch die kostenlosen staatlichen Schulen gewährleistet.

Hiergegen erhob der Kläger im Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Seine Mutter habe in Thailand nur sechs Jahre lang eine Dorfschule besucht und spreche wenig Deutsch. Gerade im Bezirk Wedding werde der Bedarf an ausreichender Schulbildung an staatlichen Schulen nicht gedeckt. Dort hätten die Schulen einen hohen Anteil an Ausländern mit geringen deutschen Sprachkenntnissen. Der Besuch einer Waldorfschule sei daher für seine weitere Entwicklung wichtig.

Die Entscheidung

Mit Urteil wies das Sozialgericht Berlin die Klage nach mündlicher Verhandlung ab und bestätigte die Auffassung des Jobcenters.

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip enthalte nur einen Anspruch auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unbedingt erforderlich seien. Ein Anspruch auf den Besuch einer Privatschule lasse sich hieraus nicht ableiten. Der Bedarf an Schulbildung werde vielmehr durch öffentliche Regelschulen ausreichend gedeckt. Ausnahmen von diesem Grundsatz kämen nur in Betracht, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (z. B. wegen der Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden persönlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar sei. Derartige Gründe lägen hier jedoch nicht vor. Allein die Auffassung des Klägers, dass Waldorfschulen besser seien als staatliche Schulen, begründe keinen weitergehenden Anspruch. Der Wunsch, den gemeinsamen Unterricht mit Schülerinnen und Schülern ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse zu vermeiden, mache den Besuch einer staatlichen Schule für den Kläger nicht unzumutbar. Berlin sei eine multikulturelle Stadt, in der ¼ der Einwohner einen Migrationshintergrund habe - auch der Kläger selbst zähle hierzu. Im Bezirk Berlin-Mitte gebe es zahlreiche Grund- und weiterführende Schulen, die er besuchen könne.

Aus den Vorschriften über Bildungs- und Teilhabeleistungen (§ 28 SGB II - Bildungspaket) lasse sich kein Anspruch auf das begehrte Schulgeld ableiten. Neben Leistungen für die Schülerfahrkarte oder die Mittagsverpflegung seien hier insbesondere nur Gegenstände der persönlichen Schulausstattung wie Schulranzen, Sportzeug, Zeichen-, Rechen- und Schreibmaterialien umfasst. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch nur auf außerschulische Lernförderung durch vorübergehenden Nachhilfeunterricht, der unmittelbare schulische Angebote allerdings lediglich ergänzen solle.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist von den Klägern mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten worden.

Themenindex:
Hartz IV, Hartz-IV, SGB II

Gericht:
Sozialgericht Berlin, Urteil vom 12.06.2012 - S 172 AS 3565/11

Berlin, den 05.07.2012
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