Das Sozialgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein Paar auch dann vom Jobcenter als Bedarfsgemeinschaft veranlagt werden darf, wenn beide noch anderweitig verheiratet sind. Das Paar hatte argumentiert, dass eine Bedarfsgemeinschaft zweier Partner voraussetze, dass diese grundsätzlich gemeinsam die Ehe eingehen könnten.

Der Sachverhalt

Der Kläger war seit dem Jahr 2007 anderweitig verheiratet. Die Klägerin war seit dem Jahr 2000 anderweitig verheiratet. Beide lernten sich 2008 über eine Internetplattform kennen und standen seitdem in Kontakt miteinander. Sie trennten sich von ihren Ehepartnern Oktober 2009 bzw. Februar 2011.

Im April 2012 zogen sie zusammen in eine Wohnung in Krefeld und beantragten aufstockende Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Das beklagte Jobcenter veranlagte die Kläger als Bedarfsgemeinschaft, d.h., dass das Einkommen des einen Partners auch beim anderen Partner angerechnet wurde.

Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Argument, dass eine Bedarfsgemeinschaft zweier Partner voraussetze, dass diese grundsätzlich gemeinsam die Ehe eingehen könnten. Wegen des Verbots der Doppelehe sei ihnen das nicht möglich.

Die Entscheidung

Die 12. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf (Urteil, Az. S 12 AS 32/14) lehnte die Klage ab. Die Kläger seien Partner einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Die Partnerschaft, der gemeinsame Haushalt und der gegenseitige Einstandswille seien unstreitig gegeben. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müsse zudem die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat oder Lebenspartnerschaft bestehen. Das Verbot der Doppelehe stehe hier der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft jedoch nicht entgegen.

Vorliegend lebten die Kläger bereits seit Oktober 2009 bzw. Februar 2011 dauerhaft von ihren damaligen Ehepartnern getrennt, eine Rückkehr in die eheliche Wohnung war nicht beabsichtigt. Insoweit nimmt auch die Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 3 SGB II Bezug darauf, dass eine Partnerschaft "daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulassen darf" (BT-Drs 16/1410 S. 19) und betont somit deren Ausschließlichkeitscharakter.

Leben die Ehepartner dauerhaft getrennt und sind die Ehen zerrüttet, weshalb eine Rückkehr in die eheliche Lebensgemeinschaft wie hier von vornherein ausgeschlossen war, so ist die lediglich "auf dem Papier" bestehende Ehe keine Lebensgemeinschaft gleicher Art, die das Vorliegen einer Partnerschaft zwischen den Klägern ausschließt. Letztendes würde der auf eine Ausschließlichkeit der Partnerschaft zielende der Gesetzeszweck von § 7 Abs. 3 SGB II konterkariert, wenn es für die Frage über das Bestehen einer Partnerschaft schlicht auf die Möglichkeit einer rechtlich zulässigen Heirat abgestellt werden würde (vgl. auch Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7, Rn. 172).

Ein weiterer Grund für die Einbeziehung solcher Partnerschaften ist der Nachrangigkeitsgrundsatz des § 2 SGB II, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht bzw. in geringerem Umfang gewährt werden, wenn die benötigten Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes von anderen erbracht werden können. Hierbei kann es keinen Unterschied machen, ob ein Partner noch verheiratet ist oder nicht (vgl. Stephan, Die Ansprüche zusammenlebender Personen nach SGB II und SGB XII, Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Diss. 2008, Bl. 93). Es ist daher davon auszugehen, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 23.08.2012 (Az.: B 4 AS 34/12 R) Konstellationen wie die hiesige schlicht übersehen hat.

Letztlich hätten es die Kläger selbst in der Hand gehabt, das Eheverbot durch eine Scheidung – welche zu einem späteren Zeitpunkt auch erfolgte - zu überwinden.

Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2016 - S 12 AS 32/14

SG Düsseldorf
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