Das Jobcenter muss Kosten von rund 6.500 Euro für den Besuch eines Hartz IV-Empfängers bei seinen in Australien lebenden Kindern nicht übernehmen.
Selbst dann nicht, wenn es sich bereits grundsätzlich zur Kostenübernahme einer derartigen Flugreise bereit erklärt hat. Es besteht keine Pflicht zur Übernahme von Reisekosten, die aufgrund einer kurzfristigen Reiseplanung besonders hoch sind.
Der Sachverhalt
Der 1960 geborene, deutsche Antragsteller kehrte im Sommer 2011 von einem längeren Auslandsaufenthalt in Australien nach Berlin zurück, arbeitet hier als Rechtsanwalt und bezieht aufstockend Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV).
Seine drei Kinder leben bei der Mutter in Australien. Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Berlin erkannte der Antragsgegner, das Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, im Juli 2013 grundsätzlich an, dass der Antragsteller einen Anspruch auf eine Reise nach Australien zum Besuch seiner Kinder habe.
Es machte allerdings keine konkreten Angaben zur Höhe der zu übernehmenden Kosten. Nachdem der Antragsteller beim Antragsgegner mit mehreren Kostenvoranschlägen nicht hatte durchdringen können, ersuchte er im August 2013 beim Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz. Er beantragte, das Jobcenter zur Zahlung von 6.338 Euro zu verpflichten.
Die Entscheidung
Das Sozialgericht Berlin lehnte den Antrag ab. Zwar könne das Jobcenter schon aufgrund seines dementsprechenden Anerkenntnisses die Übernahme der Kosten für eine Australienreise nicht grundsätzlich ablehnen. Es müsse jedoch nicht die konkret geltend gemachten Kosten übernehmen, die aufgrund einer kurzfristigen Reiseplanung besonders hoch seien.
Erst recht bestehe kein Bedürfnis des Antragstellers für eine Eilentscheidung des Gerichts. Zwar wiege das Grundrecht aus Art. 6 Grundgesetz schwer. Doch sei nicht erkennbar, dass die geplante Reise zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erforderlich sei, nachdem der Antragsteller seine Kinder bereits zwei Jahre nicht mehr gesehen habe.
Exkurs:
Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit seinen Kindern ist § 21 Abs. 6 SGB II, eine bewusst allgemein gefasste Vorschrift zur Deckung besonderer Bedarfslagen: „Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.“ Dass Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums auch die Ausübung des Umgangsrechts ermöglichen müssen, ist seit langem anerkannt.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R) sind die gesetzlichen Vorschriften dabei „im Licht des Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 Grundgesetz“ auszulegen“. Allerdings könne es „keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten“ geben. Art. 6 Abs. 1 GG lautet: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG lautet: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ In welchen Grenzen die Leistungsträger Kosten des Umgangsrechts zu übernehmen haben, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet.
Gericht:
Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 21.08.2013 - S 201 AS 19424/13 ER
SG Berlin
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