Seit Januar 2015 müssen Arbeitgeber grundsätzlich einen Lohn von brutto mindestens 8,50 Euro/Stunde zahlen. Damit soll erreicht werden, dass Beschäftigte wenigstens ein Monatseinkommen oberhalb der gesetzlichen Pfändungsfreigrenze - also in Höhe eines Existenzminimums - verdienen.

Vor allem in Ärzte- und Pflegeberufen werden Arbeitnehmer zum Bereitschaftsdienst eingeteilt. Dieser wird jedoch zumeist geringer vergütet, als die normalerweise zu leistende Arbeit - der Stundenlohn liegt häufig sogar unter 8,50 Euro/Stunde. Dabei schreibt § 1 II 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) eigentlich vor, dass in der Regel jede Zeitstunde mit mindestens 8,50 Euro zu vergüten ist. Können Beschäftigte diesen Betrag daher auch beim Bereitschaftsdienst verlangen?

Heilerziehungspfleger fordert mehr Geld

Ein Heilerziehungspfleger musste zwischen Januar 2015 und Juli 2015 insgesamt 93 Stunden Bereitschaftsdienste leisten. Während er bei seiner „normalen“ Tätigkeit - seine Monatsarbeitszeit betrug 133,44 Stunden/Monat - zunächst 15,07 Euro/Stunde und später 16,02 Euro/Stunde verdiente, wurde der Bereitschaftsdienst gemäß eines Tarifvertrags geringer vergütet. Danach erhielt der Beschäftigte für Bereitschaftszeiten zunächst nur 6,78 Euro/Stunde und später 7,21 Euro/Stunde. Der Arbeitnehmer war der Ansicht, dass die Entlohnung gegen das MiLoG verstoße und somit auch der Bereitschaftsdienst „voll“ zu vergüten sei. Als sich der Chef weigerte, ihm mehr zu bezahlen, zog der Heilerziehungspfleger vor Gericht.

Beschäftigter wurde angemessen vergütet

Das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg wies sämtliche Ansprüche des Beschäftigten zurück. Er bekam also nicht mehr Lohn.

Bereitschaftsdienst ist zu vergüten

Der Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit und keine Freizeit - er ist daher in der Regel auch wie die „normale“ Arbeitszeit zu vergüten. Schließlich kann ein Beschäftigter während des Bereitschaftsdienstes nicht tun und lassen, was er will. Vielmehr muss er sich außerhalb der regulären Arbeitszeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers an einem bestimmten Ort - innerhalb oder außerhalb des Betriebs - aufhalten, zur Arbeit „bereitstehen“ und eventuell anfallende Aufgaben erledigen.

Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst?

Allerdings wurde im Mindestlohngesetz nicht ausdrücklich festgelegt, dass auch Bereitschaftszeiten mit mindestens 8,50 Euro brutto/Stunde zu bezahlen sind. Das ArbG ging trotzdem davon aus, dass Arbeitgeber Bereitschaftszeiten grundsätzlich mit dem Mindestlohn zu vergüten haben. Sinn und Zweck des MiLoG ist es schließlich, dass Beschäftigte ein Monatseinkommen verdienen, welches zumindest das Existenzminimum absichert. Es gibt keinen Grund, Beschäftigte davon auszunehmen, die (überwiegend) Bereitschaftsdienste leisten müssen.

Vorliegend erhielt der Heilerziehungspfleger für die Bereitschaftsdienste jedoch weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Das war laut ArbG aber unschädlich - § 1 II 1 MiLoG schreibt nämlich nur vor, dass Beschäftigte grundsätzlich Anspruch auf 8,50 Euro brutto je Zeitstunde haben. Das bedeutet aber nicht, dass auch stundenweise abzurechnen ist, der Beschäftigte also für jede Arbeitsstunde auch mindestens 8,50 Euro brutto erhalten muss. Vielmehr ist es ausreichend, wenn er in einem Abrechnungszeitraum - etwa einem Kalendermonat - durchschnittlich 8,50 Euro brutto/Stunde einschließlich aller zu berücksichtigenden Vergütungsbestandteile, wie z. B. Tantiemen, erhält. Es ist grundsätzlich also zulässig, dass der Arbeitgeber die reguläre Arbeitszeit mit mehr und die Bereitschaftszeiten mit weniger als 8,50 Euro/Stunde vergütet - sofern er im Schnitt pro Monat den gesetzlichen Mindestlohn zahlt. Ein anderes Ergebnis würde insbesondere zu einer sehr unflexiblen Lohngestaltung führen.

Vorliegend hatte der Heilerziehungspfleger monatlich 133,44 Stunden gearbeitet, sodass er nach dem MiLoG mindestens 1.108,75 Euro pro Monat hätte verdienen müssen. Sein Chef zahlte aber zwischen 1.999,63 und 3.005,95 Euro im Monat - und damit deutlich mehr als 8,50 Euro/Stunde. Die Vergütung war deshalb nicht mindestlohngesetzwidrig, weshalb der Beschäftigte auch nicht mehr Gehalt verlangen konnte.

Gericht:
Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 02.03.2016 - 27 Ca 443/15

Sandra Voigt
Assessorin
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