Mit der in der anthroposophischen Medizin angewandten rhythmischen Massage hat sich der Bundesausschuss bislang nicht befasst, so dass sie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht zu leisten ist.
Der Sachverhalt
Eine 77-jährige Frau aus Marburg erhielt von ihrem Arzt mittels Privatrezept rhythmische Massagen verordnet und beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenerstattung. Dies lehnte die Kasse mit der Begründung ab, dass es sich hierbei um ein neues Heilmittel handele, für das sie nicht leistungspflichtig sei. Die Frau berief sich hingegen darauf, dass diese Behandlungsmethode bereits seit mehr als 80 Jahren integrativer Bestandteil der anthroposophischen Medizin sei.
Es könne ihr auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bisher kein Anerkennungsverfahren eingeleitet habe, da sie hierauf keinen Einfluss habe. Die an Rheuma erkrankte Frau klagt auf Erstattung der Kosten.
Die Entscheidung
Die Richter beider Instanzen gaben der Krankenversicherung Recht. Als neue Heilmittel gelten solche, die bisher nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung gewesen seien. Hierzu zähle die rhythmische Massage, da sie in der Anlage der Heilmittelrichtlinie nicht aufgeführt sei. Zudem habe der Gemeinsame Bundesausschuss diese Behandlungsmethode weder anerkannt, noch habe er sich mit diesem Heilmittel befasst.
Darin liege auch kein Systemversagen, das ausnahmsweise einen Behandlungsanspruch des Versicherten begründen könne. Ein entsprechendes Anerkennungsverfahren könnten - so die Darmstädter Richter - eine kassenärztliche Vereinigung oder ein Spitzenverband der Krankenkassen beantragen. Diesen stehe insoweit angesichts der begrenzten Bearbeitungskapazität des Gemeinsamen Bundesausschusses ein Beurteilungsspielraum zu. Ein sachgerechtes Kriterium sei insoweit die medizinische Relevanz der Methode bei Diagnostik und Behandlung bestimmter Erkrankungen. Für Krankheitsbilder, die mit der rhythmischen Massage behandelt würden, stünden zahlreiche andere Heilmittel der physikalischen Therapie - wie z.B. klassische Massage und Krankengymnastik - als Kassenleistung zur Verfügung.
Der Gesetzgeber habe zwar Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der „besonderen Therapierichtungen“, die sich von der Schulmedizin abgrenzten, vom Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dies besage aber nicht, dass diese Mittel ohne jegliche Prüfung ihres Nutzens und ihrer Wirtschaftlichkeit von den Krankenkassen zu bezahlen seien.
Amtliche Leitsätze
1. Die Rhythmische Massage der Anthroposophischen Medizin stellt ein "neues" Heilmittel i.S.d. § 138 SGB V dar, auf das erst dann ein Behandlungsanspruch des Versicherten besteht, wenn es von dem Gemeinsamen Bundesausschuss in Form einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V positiv bewertet worden ist. Dafür genügt eine reine Binnenanerkennung des Heilmittels innerhalb der Besonderen Therapierichtung nicht.
2. Die bloße Nichtbefassung des Gemeinsamen Bundesausschusses mit der Rhythmischen Massage bewirkt kein Systemversagen, das zu einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse führt. Den Antragsberechtigten steht angesichts der begrenzten Bearbeitungskapazität des Gemeinsamen Bundesausschusses ein Beurteilungsspielraum zu, ob sie ein Behandlungsverfahren der Besonderen Therapierichtungen einer Prüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zuführen.
Rechtsgrundlagen:
§ 138 SGB 5, § 27 SGB 5, § 32 SGB 5, § 2 SGB 5, § 12 SGB 5, § 92 SGB 5, § 135 SGB 5
Gericht:
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.11.2011 - L 8 KR 93/10
LSG Hessen
Rechtsindex
Ähnliche Urteile:
Eine gesetzliche Krankenkasse muss ihre Versicherten richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig beraten. Für falsche Angaben eines Mitarbeiters zum Leistungsumfang haftet eine gesetzliche Krankenversicherung, so das Urteil des OLG Karlsruhe. Urteil lesen
Die in einem Mehrbettzimmer vorübergehenden und eher als geringgradig anzusehenden Ruhestörungen, die durch die Versorgung von Mitpatienten, deren Schnarchen oder Angehörigenbesuche auftreten, sind in der Regel zumutbar und rechtfertigen keinen Anspruch auf ein Einzelzimmer. Urteil lesen
Ein gesetzlich Krankenversicherter hat sich darauf berufen, dass sein Antrag bei der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Wochen bearbeitet worden ist. Das Sozialgericht hat ihm durch Urteil (Az. S 21 KR 282/13) Recht geben. Nach dem Gesetz gelte die beantragte Versorgung als genehmigt. Urteil lesen
Nach Urteil des Sozialgerichts Berlin sind Rabattgutscheine für Einrichtungshäuser oder Freizeitaktivitäten kein zulässiges Instrument, um Mitglieder für eine Krankenkasse zu werben. Urteil lesen