Der Sachverhalt
Das Amtsgericht als Vorinstanz ist dem klägerischen Beweisangebot, gerichtet auf Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens unter Einbeziehung der Aufzeichnungen einer Dashcam und gerichtet auf Inaugenscheinnahme der Aufzeichnungen der Dashcam, nicht nachgekommen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts sei stets von einer Unverwertbarkeit der Aufzeichnungen einer Dashcam auszugehen. Des Weiteren hat das Amtsgericht nicht begründet, weshalb die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des Unfallhergangs - ungeachtet der Verwertung der Dashcam-Aufzeichnungen - nicht geeignet sein soll.
Aus den Entscheidungsgründen des LG München I
Die Kammer des Landgericht München I ist der Auffassung, dass es sich bei der Dashcam-Aufnahme um ein zulässiges Beweismittel handeln kann, das analog § 371 ZPO in Augenschein genommen werden kann und bei einem unfallanalytischen Sachverständigengutachten auch Berücksichtigung finden darf.
§ 22 S. 1 KunstUrhG
Gemäß § 22 S. 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Insoweit ist aus Sicht der Kammer zum einen bereits entscheidend, dass § 22 S. 1 KunstUrhG von vornherein schon nur zum Tragen kommen kann, wenn der Beklagte als Person i. S.v. individualisiert erkennbar auf den Aufzeichnungen dargestellt und abgebildet ist. Das Herstellen von Aufzeichnungen selbst ist indes von vornherein schon nicht tatbestandsgemäß.
Zum anderen ist aus Sicht der Kammer entscheidend, dass es am tatbestandlich verlangten Öffentlichkeitsbezug fehlt, wenn es um eine Vorlage und Inaugenscheinnahme in einer öffentlichen Verhandlung nach § 169 S. 1 GVG geht. Der Begriff "Verbreiten" sei teleologisch zu reduzieren, soweit es um eine Beweissicherung bzw. -verwertung in einem Gerichtsverfahren geht (so auch LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015, Az. 4 O 358/15, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EMGR, Urteil vom 27.05.2014, Az. 10764/09).
Bezogen auf die Dashcam-Aufzeichnungen des Klägers geht die Kammer davon aus, dass diese lediglich zur Beweissicherung und Beweisführung im hiesigen Rechtstreit verwendet werden sollten und nicht zur sonstigen Veröffentlichung bestimmt waren und auch künftig keine anderweitig Verwendung finden sollen, mithin keine Veröffentlichungsgefahr zu besorgen ist.
Abwägung der Interessen des Abgebildeten und dem Beweissicherungsinteresse des Beweisführers
§ 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG
§ 6 b Abs. 3 S. 2 und S. 3 BDSG
Aus Sicht der Kammer ist bei der Aufzeichnung von Verkehrsvorgängen mittels einer Dashcam ein berechtigtes Interesse und ein hinreichend konkreter Verwendungszweck anzunehmen, als dass es um die Sicherung von Beweismitteln im Falle eines möglichen Verkehrsunfalls geht. Es ist daher jedenfalls eine umfassende Interessen- und Güterabwägung geboten und vorzunehmen.
Aus Sicht der Kammer ist entscheidend, dass im Zusammenhang mit Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Belastungsintensität des Eingriffs ausschlaggebend ist. Die Belastungsintensität ist etwa bezogen auf die Intimsphäre als sehr hoch einzustufen, während die Belastungsintensität bezogen auf die Individualsphäre deutlich niedriger zu bewerten ist.
Bezogen auf die Dashcam-Aufzeichnungen eines Verkehrsunfalls ist aus Sicht der Kammer lediglich die Individualsphäre betroffen (so auch LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015, Az. 4 O 358/15), nicht etwa der Kernbereich der privaten Lebensführung (wie etwa bei einem Zugang zum Privatgrundstück oder einer Tiefgarage einer Eigentümergemeinschaft oder am Arbeitsplatz).
Permanente oder eine anlassbezogene Aufzeichnung
Entscheidend für die Frage der Verwertbarkeit ist dabei für die Kammer, ob eine permanente oder eine anlassbezogene Aufzeichnung mit der klägerischen Dashcam stattfindet, insbesondere aber auch, ob eine automatische Löschung oder Überschreibung der Aufzeichnungen innerhalb von bestimmten Zeiträumen erfolgt (vgl. Insoweit auch LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015, Az. 4 O 358/15).
Gericht:
Landgericht München I, Hinweisbeschluss vom 14.10.2016 - 17 S 6473/16
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