Wer beim Überholen wegen einer notstandsähnlichen Situation zu schnell fahren muss, kann eine deutliche Geschwindigkeitsübertretung nach dem Wiedereinscheren nicht damit rechtfertigen, dass man das Einregeln der Geschwindigkeit dem Tempomat überlassen wollte.

Der Sachverhalt

Ein Architekt fuhr mit Kollegen in Kolonne und war dabei, einen Lkw zu überholen, als ein Fahrzeug aus einer Einfahrt auf die Gegenfahrbahn einfuhr. Er entschied sich dann bewusst dazu Vollgas zu geben, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zu überschreiten,  die er zuvor aufgrund eines eingestellten Tempomats eingehalten hatte.

So überholte er mit deutlich höherer Geschwindigkeit als 100 km/h bewusst das Fahrzeug und scherte auf die rechte Fahrspur ein. Hier bremste er nicht, sondern fuhr ungebremst weiter in der Hoffnung, der Tempomat werde die Geschwindigkeit schon wieder regulieren. In diesem Augenblick wurde er von einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage "geblitzt".

Das Urteil des Amtsgerichts Lüdinghausen (19 OWi-89 Js 511/14-46/14)

Findet nach einem notlagebedingten Überholen mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit ein Geschwindigkeitsverstoß statt, der dadurch zustande kommt, dass der Betroffene seine Geschwindigkeit nach Wiedereinscheren auf die eigene Fahrbahn nicht wieder reduziert, sondern auf eine Regulierung durch seinen Tempomaten hofft, so liegt keine Notstandslage oder notstandsähnliche Situation vor - es ist vielmehr wegen vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes zu verurteilen (Amtl. Leitsatz).

Das Amtsgericht Lüdinghausen glaubte den ausführlichen Schilderungen des Klägers. Sie rechtfertigen jedoch nicht seine zu hohe Geschwindigkeit nach dem Überholen. Fahrzeugführer war immer noch der Kläger selbst und nicht der Tempomat. Dieser kann keinesfalls als Begründung für eine Geschwindigkeitsübertretung herhalten. Vielmehr gab der Fahrer mit seinen Ausführungen zu, die Ordnungswidrigkeit bewusst begangen zu haben. Dem Gericht blieb daher nichts anderes übrig, das Bußgeld wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von ursprünglich nur 70 Euro auf 140 Euro zu verdoppeln, so die Information der Deutschen Anwaltshotline.

Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen, Urteil vom 12.05.2014 - 19 OWi-89 Js 511/14-46/14

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