Der Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine Firma und Halterin eines auf sie zugelassenen Fahrzeugs. Mit diesem wurde im August 2012 in Ludwigshafen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 28 km/h überschritten. Auf dem Beweisfoto war als verantwortlicher Fahrzeugführer eine Frau abgebildet.
Im November 2012 gab die Geschäftsführerin der Firma gegenüber der Bußgeldstelle der Stadt Ludwigshafen an, dass sie nicht die verantwortliche Fahrzeugführerin sei und nicht wisse, wer das Fahrzeug geführt habe. Später führte die Geschäftsführerin aus, ihre Nichte, die ein Praktikum in der Firma habe machen wollen, habe das Fahrzeug geführt.
Die Nichte sei aber wieder nach Griechenland zurückgekehrt. Sie studiere dort und wohne einem kleinen Dorf, in dem es keine Straßennamen gebe. Daraufhin stellte die Stadt Ludwigshafen das Bußgeldverfahren ein und gab der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 18 Monaten für das Fahrzeug, mit dem der Verkehrsverstoß im August 2012 begangen worden war, sowie für jedes Ersatzfahrzeug auf.
Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens und Erhebung einer Klage hat die Antragstellerin Anfang Januar 2014 auch um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Das Fahrzeug, für welches die Fahrtenbuchauflage verfügt worden sei, werde zwischenzeitlich nicht mehr von ihr gehalten. Sie habe auch kein Ersatzfahrzeug angeschafft, so dass von ihr auch keinerlei Gefährdungen im Hinblick auf weitere Verkehrsverletzungen ausgehen könnten. Die Stadt Ludwigshafen hat dagegen eingewandt, das „Tatfahrzeug“ sei lediglich im Oktober 2013 auf die Geschäftsführerin der Antragstellerin umgemeldet worden. Im Übrigen verfüge die Antragstellerin weiterhin über ein anderes Firmenfahrzeug.
Die Entscheidung
Den Eilantrag der Antragstellerin hat die 3. Kammer des Gerichts mit folgender Begründung abgelehnt:
Die Fahrtenbuchauflage sei rechtmäßig. Wer im August 2012 mit dem Firmenfahrzeug der Antragstellerin die Verkehrsordnungswidrigkeit begangen habe, habe trotz sachgerechten und rationellen Einsatzes der zur Verfügung stehenden und Erfolg versprechenden Maßnahmen nicht festgestellt werden können.
Dieser Misserfolg sei der Antragstellerin zuzurechnen. Denn diese habe nicht das ihr Zumutbare und Mögliche zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen. Bei der bloßen Angabe eines Namens und eines kleinen Dorfes ohne Postleitzahl und Straßenangabe in Griechenland handele es sich nicht um derart konkrete und verlässliche Angaben, denen die Behörde hätte weiter nachgehen müssen. Vielmehr sei von einem Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug an einen Dritten weitergebe, zu verlangen, dass er sich um überprüfbare Angaben zur Identität und konkreten Anschrift desjenigen bemühe, dem er sein Fahrzeug übergebe. Gefährde er indessen die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er entgegen seiner Mitwirkungspflicht nicht dartun könne oder wolle, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren habe, dürfe er durch das Führen eines Fahrtenbuches zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden.
Ob die Behörde - im Falle erwiesener Täterschaft - gegenüber der in Griechenland ansässigen Fahrerin ihren Bußgeldbescheid tatsächlich hätte vollstrecken können, sei für die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage ohne Bedeutung. Sie sei keine Sanktion vergangener Verkehrsverstöße, sondern allein eine Reaktion auf die Nichtfeststellbarkeit des Fahrers im Anlassfall und eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr, mit der die zukünftige Feststellbarkeit des Fahrers gewährleistet werden solle.
Der festgestellte Verkehrsverstoß vom August 2012 sei auch von einigem Gewicht, denn er wäre mit drei Punkten im Verkehrszentralregister zu bewerten gewesen, was bereits bei einem Erstverstoß die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches rechtfertige.
Der Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung stehe nicht entgegen, dass die Antragstellerin das "Tatfahrzeug" im Oktober 2013 auf ihre Geschäftsführerin umgemeldet habe. Die Erstreckung einer Fahrtenbuchauflage auf weitere Firmenfahrzeuge sei zulässig und regelmäßig geboten. Sinn und Zweck der Fahrtenbuchauflage sei es sicherzustellen, dass sich der jeweilige Halter nicht durch Veräußerung oder Abmeldung des Tatfahrzeuges einer Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches entziehen könne. Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.
Gericht:
Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 L 4/14.NW
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