Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass Behörden und Sozialgerichte Unterhaltstitel nicht ungeprüft übernehmen müssen, wenn diese offensichtlich nicht den gesetzlichen Unterhaltspflichten entsprechen.

Der Sachverhalt

Geklagt hatte ein 59-jähriger Hartz-IV-Empfänger, der nach Trennung von seiner Ehefrau eine notarielle Unterhaltsvereinbarung über die Zahlung von 1.000 €/Monat unterschrieb. Mit 60 Jahren wurde eine Betriebsrente von rd. 260 €/Monat fällig, die als Unterhaltszahlung direkt an die getrenntlebende Ehefrau überwiesen wurde.

Das Jobcenter rechnete die Betriebsrente trotzdem als Einkommen des Mannes an und bewilligte ihm dementsprechend niedrigere Leistungen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Argument, dass die Betriebsrente zur Erfüllung der notariell titulierten Unterhaltspflicht nicht an ihn, sondern an seine Ehefrau gezahlt werde und daher nicht angerechnet werden dürfe. 

Die Entscheidung

Dem ist das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Ergebnis nicht gefolgt. Es hat eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers ausnahmsweise in eigener Zuständigkeit verneint. Zwar sollten Behörden und Sozialgerichte grundsätzlich von eigenständigen Ermittlungen zum Unterhaltsanspruch entlastet werden und vorhandene Unterhaltstitel der Bedarfsberechnung zugrunde legen. Denn im Regelfall sei davon auszugehen, dass ein titulierter Unterhaltsanspruch auch besteht.

Anders sei dies jedoch, wenn ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch schon nach Aktenlage offensichtlich nicht gegeben sei. Hier würden die alleinigen Einnahmen des Klägers aus der Betriebsrente weit unter dem Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle von 1.100 €/Monat liegen.

Er bezog unter Anrechnung der Betriebsrente von August bis Dezember 2013 monatliche SGB-II-Leistungen i.H.v. 564,41 Euro. Selbst ohne Anrechnung der Betriebsrente und bei zusätzlicher Addition des Netto-Betrages der Rente ergäben sich monatlich lediglich Einkünfte i.H.v. 1.049,59 Euro (792,-- Euro + 257,59 Euro) und auch in diesem hypothetischen Fall keine Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Ehefrau.

Damit war die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers offensichtlich und damit auch das Nichtbestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Somit war keine Anrechnungsfreiheit gegeben, so dass der Beklagte die Betriebsrente zu Recht als Einkommen angerechnet hat.

Die Zulassung der Revision ist erfolgt, da der Senat die Frage, unter welchen Voraussetzungen die SGB-II-Träger und die Gerichte die Frage der gesetzlichen Unterhaltspflicht im Rahmen des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II überprüfen können, für grundsätzlich erachtet (vgl. § 160 Abs 2 SGG).

Gericht:
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.04.2018 - L 11 AS 1373/14

LSG Niedersachsen-Bremen, PM
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