Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die der Kläger sich durch den angeblichen Alkoholkonsum seiner Mutter während seiner Schwangerschaft zugezogen haben will.

Der Sachverhalt

Der Kläger machte geltend, bei ihm sei 2012 eine fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) festgestellt worden. Seine 1922 geborene Mutter habe während der Schwangerschaft mit ihm Alkohol getrunken und ihn dadurch massiv geschädigt. Die Mutter verstarb 1976. An einer Körperverletzung durch die Mutter könne kein Zweifel bestehen.

Der beklagte Landschaftsverband lehnte den Versorgungsantrag des Klägers ab, da er kein Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei.

Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf (Az. S 1 VG 83/14)

Das Sozialgericht Düsseldorf (Urteil, Az. S 1 VG 83/14) konnte keine Gewalttat gegen den Kläger im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes feststellen. Der Alkoholkonsum einer Mutter während der Schwangerschaft sei keine Straftat. Körperverletzungstatbestände gegenüber dem Fötus scheiden schon deshalb aus, weil strafrechltich die Leibesfrucht kein taugliches Schutzobjekt einer Körperverletzung im Sinne der §§ 223 ff. StGB sein kann. Eine Strafbarkeit nach § 218 StGB komme ebenfalls nicht in Betracht, da schon der Tatbestand eines Schwangerschaftsabbruches nicht gegeben sei.

Opfer einer Gewalttat im Sinne des § 1 OEG können grundsätzlich nur lebende Menschen werden. Nach der Rechtsprechung des BSG komme jedoch dann eine Entschädigung nach dem OEG auch für das werdende Kind im Mutterleib in Betracht, wenn eine Gewalttat gegen die Mutter Ursache der Schädigung war. So habe das BSG einen Fall entschieden, in dem die Mutter des Opfers durch eine Vergewaltigung mit Lues infiziert wurde. Diese Infektion führte zu Schäden beim ungeborenen Kind und auch Jahre später zu Gesundheitsbeeinträchtigungen des herangewachsenen Opfers.

Der Lebenswandel einer Mutter als Ausdruck der Wahrnehmung ihrer eigenen Persönlichkeitsrechte lasse sich weder im Wege vorbeugender Unterlassungsansprüche kontrollieren noch können staatliche Eingriffe darauf gerichtet werden, potentiell gefährdendes Handeln für das im Mutterleib werdende Leben zu unterbinden. Grundsätzlich komme deshalb eine Entschädigung nach dem OEG für solches Handeln, zu dem auch der Konsum von Alkohol zähle, nicht in Betracht.

Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2015 - S 1 VG 83/14

SG Düsseldorf
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