Zwei Männer gerieten zuerst verbal aneinander und nach dem Rauswurf aus einer Disco ging es vor der Türe weiter. Der eine wurde schwer verletzt und begehrt eine Opferentschädigung. Zu Unrecht, denn er habe seine Schädigung wesentlich mit verursacht.

Der Sachverhalt

Der Kläger und der Schädiger O., beide nigerianische Staatsangehörige, besuchten getrennt voneinander eine Veranstaltung in einem Club. Dort traf der Kläger einen nicht näher identifizierten "alten Bekannten" aus der Zeit im Asylbewerberheim mit Schädiger O. zusammenstehend an. Aus Eifersucht sagte der Kläger in Anwesenheit des Schädigers und für diesen hörbar sinngemäß zu dem Freund, der in Begleitung seiner Frau anwesend war, dieser solle aufpassen, da manche Leute jemanden begrüßten, tatsächlich aber nur an dessen Frau interessiert seien. Mit dieser Bemerkung wollte der Kläger dem Schädiger O. charakterisieren, was O. in diesem Sinne auch verstand.

Hierauf aufbauend kam es zwischen beiden im Lokal zunächst zu einer im Wesentlichen verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Kläger O. einen oder mehrere schmerzhafte, jedoch zu keinen sichtbaren Verletzungen führende Schläge in das Gesicht und gegen eine zuvor operierte Schulter versetzte. O. ergriff ein Sektglas und drohte dem Kläger, ihm dieses auf den Kopf zu schlagen. Daraufhin ließ der Veranstalter den Kläger und O. vor die Tür des Lokals verbringen und redete er beschwichtigend auf beide Personen ein. Nachfolgend gestattete er beiden Personen, die Veranstaltung weiter zu besuchen. Nur wenige Minuten nach der Rückkehr in das Lokal gerieten der Kläger und O. jedoch erneut aneinander; zu Handgreiflichkeiten kam es dabei nicht. Daraufhin ließ der Veranstalter den Kläger und O. endgültig aus dem Lokal verbringen.

Kläger wurde mit einer Glasscherbe schwer verletzt

Auf der Straße setzte sich die verbale Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und O. zunächst fort. O. entledigte sich dabei seiner Lederhalbschuhe; der Kläger seinerseits zog sein T-Shirt aus, um sich im Falle eines Kampfes besser verteidigen zu können und O. eine Zugriffsmöglichkeit zu nehmen. Als O. mit einer Flasche oder einem Glas in der Hand auf den Kläger zuging, konnten die Türsteher O. zunächst dazu bewegen, den Gegenstand aus der Hand zu legen. Kurze Zeit später zerschlug O. jedoch einen gläsernen Bierkrug an einem Blumenkübel, nahm eine gezackte Scherbe des Glases, nachdem er sich, um sich nicht zu verletzen, ein Handtuch um seine Hand gewickelt hatte, ging auf den etwa 5 m entfernt stehenden Kläger zu und zog ihm die Scherbe kräftig über das Gesicht. Dabei durchtrennte er das linke Ober- und Unterlied. Durch eine weitere geführte Schnittbewegung fügte O. dem Kläger eine bis auf den Knochen reichende Schnittwunde am rechten Unterarm zu.

O. wurde später zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren sowie zur Zahlung eines Schmerzensgelds an den Kläger verurteilt.

Kläger begehrt Opferentschädigung - Die Entscheidung

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Opferentschädigung blieb erfolglos. Seine deswegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe ab.

Der Kläger habe seine Schädigung wesentlich mit verursacht. Dies schließe einen Anspruch auf staatliche Entschädigungsleistungen nach dem OEG aus. Das Geschehen vor dem Lokal, bei dem es unmittelbar zu der Schädigung gekommen sei, könne nicht losgelöst von den Geschehensabläufen zuvor innerhalb und außerhalb des Lokals betrachtet werden. Danach sei mit Blick auf das von dem Kläger selbst ausgehende, völlig grundlose, provozierende verbale und auch tätliche Verhalten gegen O. der Boden für weitere Auseinandersetzungen mit Tätlichkeiten bereitet gewesen und habe der Kläger aufgrund seines eigenen vorangegangenen Verhaltens, insbesondere des bereits innerhalb des Lokals seitens O. erfolgten Aufgreifens eines Sektglases und der Ankündigung, ihm - dem Kläger - das Glas auf den Kopf zu schlagen, sowie des erneuten Ergreifens eines Gegenstands außerhalb des Lokals, mit dem O. auf den Kläger zuging, damit rechnen müssen, dass O. erneut einen Angriff gegen ihn führen und gegebenenfalls mit einem Gegenstand auf ihn einschlagen und ihn verletzen würde.

Der Kläger hat leichtfertig gehandelt

Dafür sprächen auch das Ausziehen der Schuhe durch des O. wie insbesondere das Ausziehen des T-Shirts durch den Kläger; denn hierdurch habe dieser sich auf einen bevorstehenden Angriff des O. vorbereiten wollen. Damit sei ihm die Gefährlichkeit der Situation auch subjektiv bewusst. Der Kläger habe sich leichtfertig einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung mit O. nicht entzogen, ohne hierfür gemeinnützige Gründe zu haben. Das Verbleiben des Klägers am Tatort wie auch sein eigenes völlig grundloses und provokatives Verhalten gegenüber O. sei in höchstem Maße leichtfertig gewesen. Er könne deshalb nicht erwarten, dass die Allgemeinheit für seinen dabei erlittenen Körperschaden aufkomme.

Themenindex:
Opferentschädigungsgesetz (OEG), § 2 Versagungsgründe OEG

Gericht:
Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2012 - S 1 VG 4035/11

SG Karlsruhe
Rechtsindex - Recht & Urteil
Ähnliche Urteile:

Medizinrecht: Bei einem Kleinkind mit einer komplexen Fraktur muss der Arzt besonders sorgfältig behandeln. Eine unterlassene Überweisung an einen Kinderchirurgen und fehlende enge Behandlungskontrolle kann zu Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen führen. Urteil lesen

Nürnberg (D-AH) - Wird die Mitarbeiterin einer Tierklinik bei der Behandlung einer Katze von dieser gebissen, ist das ein Arbeitsunfall. Damit entfällt aber der Anspruch auf ein Schmerzensgeld durch den Arbeitgeber. Urteil lesen

Nürnberg (D-AH) - Es ist nicht diskriminierend, wenn einem HIV-infizierten Patienten die Toilette in seinem Mehrbettzimmer verwehrt wird und er eine Extra-Toilette auf dem Gang des Krankenhauses zugewiesen bekommt. Urteil lesen

Wer sich zum Training in ein professionelles Fitnessstudio begibt, darf sich darauf verlassen, dass die Trainingsgeräte in einem ordnungsgemäßen Zustand sind. Den Studiobetreiber treffen daher hohe Kontrollanforderungen. Wird er diesen nicht gerecht, so haftet er seinen Kunden für Schäden. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de