In der Regel mindert sich der Anspruch auf Übernahme von Unterkunftskosten, wenn eine Betriebskostenrechnung ein Guthaben ausweist und an den Leistungsempfänger ausbezahlt wird. Eine Ausnahme besteht aber, wenn das Guthaben nicht an den Leistungsempfänger ausgezahlt wird.

Zur Sache

Ein Langzeitarbeitsloser versteht die Welt nicht mehr. Er hat im Jahr 2009 seine Wohnung nur sparsam geheizt und auch sorgsam auf den Wasserverbrauch geachtet. Lohn seiner Bemühungen: Die Nebenkostenabrechnung seines Vermieters, die ihm im Mai 2010 zugeht, weist ein Guthaben von 200 EUR auf. Kurz darauf bekommt er Post vom Jobcenter. Es teilt ihm mit, dass es im Monat Juni nicht wie bisher 350 EUR der Unterkunftskosten übernimmt, sondern nur 150 EUR.

Die Begründung hierfür lautet: Um den Betrag des Betriebskostenguthabens mindere sich der Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten durch das Jobcenter. Der Langzeitarbeitslose fühlt sich für sein sparsames Wirtschaften bestraft.

Mit dieser Sicht der Dinge sehen sich die Gerichte in ihrer täglichen Praxis nicht selten konfrontiert. Sie mag subjektiv verständlich sein, greift jedoch zu kurz. Das Handeln der Jobcenter ist rechtmäßig und alles andere als ungerecht. § 22 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - sieht diese Minderung ausdrücklich vor. Die Regelung ist Ausdruck des fürsorgerechtlichen (Subsidiaritäts-)Prinzips, wonach der Staat nur dann einspringen soll, wenn sich der Einzelne nicht mehr selbst helfen kann. Und im Umfang der Betriebskostenerstattung kann sich der Leistungsempfänger selbst helfen. Er kann einen Teil seiner nächsten Miete aus der Erstattung finanzieren. Die Jobcenter und damit der Steuerzahler werden um diesen Teil entlastet. Von einer „Bestrafung“ für sparsames Wirtschaften kann daher keine Rede sein.

Eine Ausnahme besteht nur, wenn das Geld nicht ausbezahlt wird

Von dem Recht zur Minderung der laufenden Zahlung trotz eines Betriebskostenguthabens soll nur dann eine Ausnahme gelten, wenn das Guthaben tatsächlich nicht an den Leistungsempfänger ausgezahlt wird. Das hat das Sozialgericht Chemnitz entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Vermieter des Klägers das Guthaben in Höhe von 556,42 EUR aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 einbehalten. Er verrechnete es mit einer Forderung aus der Betriebskostenabrechnung des Vorjahres. Das Jobcenter Chemnitz minderte gleichwohl in den beiden Folgemonaten seine Zahlungen für die Unterkunft des Klägers um den Betrag des Guthabens.

Der Kläger hatte mit seiner Klage Erfolg. Weil das Guthaben tatsächlich nicht ausgezahlt wurde, stand es ihm nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes - insbesondere zur Verwendung für die nächste Mietzahlung - zur Verfügung. Die Minderung der Unterkunftskosten würde bei dieser Sachlage zu einer nicht hinnehmbaren Bedarfsunterdeckung und zu neuen Mietschulden führen. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck der Leistungen nach dem SGB II, die die notwendigen Lebenshaltungskosten des Bedürftigen vollständig decken sollen, begründete das Gericht seine Entscheidung.

Das Gericht wies allerdings auf eine uneinheitliche Rechtsprechung zu dieser Problematik hin. Es ließ daher die Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht zu. Die Berufung ist dort mittlerweile unter dem Aktenzeichen L 2 AS 771/10 anhängig.

Themenindex:
Hartz IV, SGB II

Gericht:

Sozialgericht Chemnitz, Urteil vom 5.11.2010 – S 33 AS 5000/10

Pressemitteilung Nr. 5/2011 des SG Chemnitz
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