Der Sachverhalt
Der zuständige Einzelrichter hat den Parteien gem. § 48 ZPO angezeigt, dass er mit der in demselben Wohngebiet wohnhaften und ihm persönlich bekannten Ehepaar anlässlich eines zufälligen Zusammentreffens auch über den zugrunde liegenden Verkehrsunfall gesprochen habe.
Zufälliges Gespräch über den Unfallhergang
Der Ehemann habe in diesem Gespräch auf ein Gerichtsverfahren hingewiesen, ohne dass dem Richter zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass dieser Prozess bei dem Landgericht Stendal anhängig gewesen sei und in sein Dezernat falle. In diesem Zusammenhang habe auch die Ehefrau das Unfallgeschehen aus ihrer Sicht geschildert. Gegenstand des Gesprächs sei auch die möglicherweise in Betracht kommende Verantwortlichkeit der Ehefrau aus einer Gefährdungshaftung gewesen, vorbehaltlich konkreter Feststellungen im Tatsächlichen. Daraufhin hat der Kläger ein auf diese Anzeige gestütztes Ablehnungsgesuch gegen den Richter angebracht.
Voinstanz hat keine Bedenken
Das Landgericht Stendal hatte festgestellt, dass gegenüber dem abgelehnten Richter keine Besorgnis der Befangenheit bestehe, und das Ablehnungsgesuch des Klägers für unbegründet erklärt. Zur Begründung führte die Kammer aus, dass keine genügenden objektiven Gründe vorlägen, welche nach Meinung einer ruhig und besonnen denkenden Partei Anlass geben könnten, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dieser Auffassung schloss sich das Oberlandesgericht nicht an.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg
Ein Richter, der sich mit einem ihm persönlich bekannten Ehepaar aus demselben Wohngebiet anlässlich eines zufälligen Zusammentreffens über einen Verkehrsunfall der Frau unterhält und von dieser das Unfallgeschehen geschildert bekommt, wobei er auch auf die mögliche Gefährdungshaftung hinweist, ohne zu wissen, dass der Rechtsstreit hierüber in sein Dezernat fallen wird, begründet aus Sicht der Gegenpartei die Besorgnis der Befangenheit, auch wenn ihm angesichts der Unkenntnis seiner eigenen Befassung kein Vorwurf zu machen ist (amtl. Leitsatz).
Aus der Perspektive des Klägers hat der abgelehnte Richter - ohne dass ihm angesichts der Unkenntnis von der eigenen Befassung ein Vorwurf zu machen wäre - sich einseitig und ohne dass dem Kläger insoweit eine Einflussnahme möglich gewesen wäre mit der beklagten Ehefrau über den zugrunde liegenden Sachverhalt und seine rechtliche Bewertung unterhalten.
Auch wenn damit noch kein Rechtsrat hinsichtlich des Verhaltens der beklagten Ehefrau im Prozess verbunden gewesen war, kann hieraus doch für den an diesem Gespräch nicht beteiligten Kläger die Besorgnis erwachsen, der abgelehnte Richter habe sich zu dem Verkehrsunfall und seiner rechtlichen Bewertung bereits eine Meinung gebildet und stehe der Sache damit nicht mehr unvoreingenommen gegenüber.
Dass er insoweit den Vorbehalt der Feststellbarkeit der relevanten Tatsachen geäußert hat, ändert hieran nichts, denn hieraus kann der Kläger allenfalls ersehen, dass der Richter sich - wie aber zu erwarten war - auch bei diesem Gespräch des Umstandes bewusst war, dass es einer Partei nicht immer gelingt, ihr Tatsachenvorbringen im Prozess zu beweisen und sich dann auch die rechtliche Bewertung ändern kann.
Gleichwohl hat er sich aber auch nach dem Inhalt seiner Selbstanzeige der Beklagten gegenüber über die rechtliche Bewertung ihrer Unfallschilderung geäußert. Zudem hat der abgelehnte Richter sich von der Beklagten auch den Unfallhergang aus ihrer Sicht schildern lassen. Auch insoweit kann aus Sicht des Klägers die Besorgnis begründet sein, dass er einer im Rahmen einer Anhörung gem. § 141 ZPO oder im Rahmen einer Parteivernehmung möglicherweise erneut notwendig werdenden Schilderung des Unfallhergangs nicht mehr mit derselben Unvoreingenommenheit und Distanz gegenüber stehen könnte, wie dies bei einer erstmaligen Schilderung durch eine ihm unbekannte Partei der Fall wäre.
Rechtsgrundlagen:
§ 42 ZPO
§ 48 ZPO
Gericht:
Oberlandesgericht Naumburg, Beschluss vom 29.01.2014 - 10 W 69/13
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