Der Sachverhalt
Ein heute 34-jähriger Polizeibeamter wurde als 11-jähriger Junge von einem Nachbarn seiner Großeltern sexuell missbraucht. Das Tatgeschehen hatte er nach seinen Angaben bis 2005 vollständig verdrängt. Erst als seine Schwester anlässlich einer Familienfeier im Jahr 2005 ihren eigenen Missbrauch durch denselben Nachbarn offenbarte, sei die Erinnerung zurückgekehrt. Er erstattete Anzeige und begehrte Schmerzensgeld.
Das Landgericht Osnabrück verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 7.500,- € Schmerzensgeld. Der Beklagte hatte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, weil er meinte, der Schmerzensgeldanspruch sei spätestens drei Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit des Klägers verjährt. Die Berufswahl des Klägers sei eine bewusste Bewältigungsstrategie gewesen.
Die Entscheidung
Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Zwar habe bei dem Kläger kein Gedächtnisverlust im Sinne einer Amnesie vorgelegen. Diesem stehe jedoch die konsequente Verdrängung aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung gleich. Zwar habe der Geschädigte zu beweisen, dass tatsächlich eine solche Verdrängung des Tatgeschehens stattgefunden habe.
Verdrängung des Tatgeschehens
Durch das vom Landgericht bereits eingeholte Sachverständigengutachten stehe jedoch fest, dass der Kläger das im Kindesalter Erlebte konsequent verdrängt und daher bis 2005 keine Kenntnisse mehr von den Taten, der Tatumstände und dem Täter gehabt habe. Auch die vom Landgericht festgesetzt Höhe des Schmerzensgeldes sei angemessen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zugelassen.
Vorinstanz:
Landgericht Osnabrück - 12 O 2381/10
Gericht:
OLG Oldenburg, Urteil vom 12.07.2011 - 13 U 17/11
PM des OLG Oldenburg, Rechtsindex
Hinweis:
Das Urteil des Landgerichts Osnabrück wurde vom BGH bestätigt. Weiteres unter Urteil: Verjährung von Schmerzensgeldansprüche wegen Kindesmissbrauch
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