Ein Betriebsratsmitglied kritisierte die geplante Einführung von Überwachungskontrollen des Arbeitgebers und verwies dabei auf die Zeit des totalitären Regime vor 70 Jahren. Nach Auffassung des Arbeitgebers habe er die betrieblichen Verhältnisse mit dem NS-Regime verglichen, was zur fristlosen kündigung berechtige.

Der Sachverhalt

Nach Informationen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), erfuhr ein Betriebsratmitglied von den geplanten Überwachungskontrollen des Arbeitgebers. Mit einer Email nahm dieser Stellung und schrieb unter anderem folgende Zeilen an den Einrichtungsleiter und die Aufsichtsratsmitglieder:

"...wie ich von mehreren Mitarbeitern erfahren habe, beabsichtigen Sie wöchentlich eine Überwachungskontrolle, mit technischen Gerätschaften, der Mitarbeiter in der Pflege durchzuführen. Es soll damit festgestellt werden, wie viel Zeit der Mitarbeiter benötigt, bis er dem Klingelruf des Mitarbeiters nachkommt. Hier findet eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers statt, die einen dringlichen Handlungsbedarf des Betriebsrats vorsieht gemäß einer einstweiligen Verfügung. Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann. ..."

Fristlose Kündigung des Betriebsratsmitglieds

Der Arbeitgeber wollte dem Mann daraufhin fristlos kündigen. Er war der Meinung, die Mail enthalte durch den Vergleich mit dem nationalsozialistischen Terrorregime eine grobe Ehrverletzung. Eine personenbezogene Auswertung von Aufzeichnungen der Rufanlage finde nicht statt. Es werde lediglich auf dem Server der Zeitraum vom Klingeln eines Bewohners bis zum Abschalten der Klingel durch die Pflegekraft aufgezeichnet. Dies sei erforderlich, um auf Beschwerden von Bewohnern zu reagieren.

Der Betriebsrat verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Kündigung. Vor Gericht forderte der Arbeitgeber die Ersetzung dieser Zustimmung.

Das Urteil des LAG Düsseldorf

Ein Grund zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds liege nicht vor, so das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil (Az. 10 Ta BV 102/15).

Zutreffend ist, dass ein Vergleich betrieblicher Verhältnisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung ist. Eine solche Gleichsetzung ist in der E-Mail des Betriebsratmitglieds nicht enthalten. Das Betriebsratsmitglied warnt vielmehr vor einer möglichen künftigen Entwicklung und knüpft damit allenfalls an die Verhältnisse der Weimarer Republik an.

Es geht ihm darum, dass man Entwicklungen von Beginn an beobachten muss „bevor etwas aus dem Ruder läuft.“ Eine solche Äußerung ist von der Meinungsfreiheit geschützt. Die übrige Kritik des Betriebsratsmitglieds, u.a. an der von diesem behaupteten und von der Arbeitgeberin bestrittenen Unterbesetzung im Tages- und Nachtdienst enthält zulässige Werturteile, die sich im Rahmen seiner Funktionen als Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied halten.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2016 - 10 Ta BV 102/15

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