Der Sachverhalt
Die 1984 geborene Klägerin türkischer Staatsangehörigkeit reiste 2005 im Rahmen des Familiennachzugs zu ihrem türkischen Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie erhielt im gleichen Jahr erstmals eine Aufenthaltserlaubnis und wurde zugleich zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet.
Wegen ihrer Schwangerschaft brach die Klägerin den Integrationskurs vorzeitig ab. Auch nach der Geburt ihres Kindes besuchte sie den Integrationskurs nicht und begründete dies zunächst damit, dass sie ihr Kind betreuen müsse und eine schlechte Verkehrsanbindung bestehe.
Später teilte sie mit, dass sie auch aufgrund einer erneuten Schwangerschaft und hieraus resultierender Beschwerden nicht an dem Kurs teilnehmen könne. Im Februar 2010 erhielt die Klägerin eine weitere Aufenthaltserlaubnis, die bis zum Februar 2012 befristet war und den Zusatz enthielt „Erwerbstätigkeit gestattet". Mit Bescheid vom 12. November 2012 lehnte die Ausländerbehörde des Beklagten den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab, da die Klägerin nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung verfüge. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 1 C 21.14)
Der 1. Revisionssenat hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bestätigt und die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 9 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 AufenthG), da sie die hierfür erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache und die Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nicht nachgewiesen hat, so das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 1 C 21.14).
Es kann auch nicht ausnahmsweise von der Teilnahme an einem Integrationskurs abgesehen werden, da die von der Klägerin geltend gemachten Hinderungsgründe keinen Härtefall begründen. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbot (Art. 13 ARB 1/80) berufen, das neue Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt verbietet.
Denn die Klägerin hat auch ohne die begehrte Niederlassungserlaubnis bereits wegen ihrer Rechtsstellung als Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80. Danach hat sie Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG, die ihr dauerhaft auch einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt vermittelt. Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 greift nur bei neuen Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Die mittlerweile schärferen Voraussetzungen für einen unbefristeten Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis) haben hier aber keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarktzugang der Klägerin.
Gericht:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.04.2015 - 1 C 21.14
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