Es war als Scherz gedacht, als ein Mann seiner Bekannten in die Hochtechnologie-Firma ein Paket zuschickte, das im Begleitschreiben den Briefkopf einer arabischen Botschaft und die Nachricht "secret documents" enthielt. Dieser Scherz löste aber einen Großeinsatz der Polizei aus.

Der Sachverhalt zum Urteil

Bei einer international tätigen Hochtechnologie-Firma ging ein Paket ein, das an eine Mitarbeiterin persönlich adressiert war. Als sie die von außen angebrachte Platikhülle öffnete, fand sie ein Begleitschreiben mit dem Briefkopf einer arabischen Botschaft in Berlin sowie dem Zusatz "Bill of Lading" und den an sie gerichteten Text "Dear Mrs. X, you receive important and secret documents best regards", gezeichnet mit einem arabischen Namen und dem Zusatz "Consul".

Sie unterrichtete den Sicherheitsbeauftragten der Firma, der bei Nachfrage in der Botschaft die Auskunft erhielt, ein solches Paket sei dort nicht abgeschickt worden. Daraufhin informierte er die Polizei. Der Gebäudeflügel, in dem sich das Paket befand, wurde geräumt. Per Hubschrauber wurden zwei von der Landespolizeidirektion Freiburg angeforderte Bombenentschärfer eingeflogen. Diese öffneten das Paket und stellten fest, dass sich darin Verpackungsmaterial, Zeitschriften, ein Kuchenteller und ein handschriftlicher Gruß befanden. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um einen Bekannten der Mitarbeiterin, der sich mit ihr einen Scherz erlauben und ihr auf diese Weise nur den gebrauchten Teller zurückgeben wollte.

Bei den polizeilichen Befragungen äußerte der Bekannte, dass er wohl eine große Dummheit mit ungeahnten Folgen verursacht habe. Er habe sich lediglich einen Spaß machen wollen, indem er der Adressatin einen vor längerer Zeit erhaltenen Dessertteller wieder habe zukommen lassen wollen. Ein solcher Spaß habe bei der Adressatin schon einmal funktioniert. An die Folgen habe er nicht gedacht, zumal er das Paket an die Adressatin persönlich gesandt habe.

Die Polizei stellte dem Mann die Kosten wegen missbräuchlicher Veranlassung eines Polizeieinsatzes bzw. Vortäuschens einer Gefahrenlage von knapp 4000 Euro in Rechnung. Dagegen wehrte sich der der Mann und klagte vor dem Verwaltungsgericht Freiburg.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg

Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen den Gebührenbescheide mit der Begründung stattgegeben, der Gebührentatbestand einer missbräuchlichen Veranlassung eines Polizeieinsatzes bzw. des Vortäuschens einer Gefahrenlage setze objektiv voraus, dass durch das Verhalten des Verursachers zumindest eine Anscheinsgefahr entstanden sei und erfordere subjektiv, dass der Verursacher dies entweder bezweckt habe oder wenigsten als sicher erwartet habe oder aber zumindest, dass sich ihm eine entsprechende Einschätzung als Gefahrenlage durch dritte Personen und die von ihnen unterrichtete Polizei als gewiss hätte aufdrängen müssen.

Für ein "Vortäuschen" einer Gefahrenlage genüge es hingegen nicht, dass sich die Annahme einer Gefahrenlage durch Dritte und gegebenenfalls durch die Polizei nur mehr oder weniger naheliegend hätte erscheinen müssen. Diese Voraussetzungen sah das Gericht nicht als erfüllt an.

Es habe sich dem Absender nicht als gewiss aufdrängen müssen, dass das Paket eine Anscheinsgefahr begründen könne. Eine allgemeine Bedrohungslage habe es für die Firma nicht gegeben. Dass sie international im Bereich Hochtechnologie tätig sei, mache sie noch nicht zum herausgehobenen Ziel von Terroranschlägen. Das Paket sei nur an die Adressatin persönlich gerichtet gewesen. Dass diese die Scherzhaftigkeit des Anschreibens nicht erkennen werde, habe sich ihm nicht als gewiss aufdrängen müssen. Es sei vielmehr nachvollziehbar, dass er nicht auf den Gedanken gekommen sei, bei der Adressatin werde der Eindruck einer Gefahrenlage entstehen, da die Täuschung über den Absender auf den zweiten Blick wegen der wenig repräsentativen Aufmachung und der unüblichen Formulierungen leicht erkennbar gewesen sei.

Gericht:
Verwaltungsgericht Freiburg, Urteil vom 19.02.2013 - 5 K 1126/12

VG Freiburg
Rechtsindex - Recht & Urteil

Entscheidungshinweis:
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Der Versender eines "Scherzpakets", das im Mai 2011 von der Landespolizei als Paketbombe verdächtigt wurde, muss den Polizeieinsatz nicht bezahlen, weil er ihn glaubhaft für nicht möglich gehalten hat. Denn der in der Gebührenverordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg festgelegte Gebührentatbestand für die missbräuchliche Veranlassung von Polizeieinsätzen erfordert zumindest ein bedingt vorsätzliches Handeln; Fahrlässigkeit genügt nicht. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 25.07.2013 - 1 S 733/13
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