In nachfolgender Entscheidung äußert sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zum Einsatz privater Dienstleister bei Verkehrsmessungen. Unter anderem muss die Ordnungsbehörde die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführen.

Aus der Entscheidung

Soweit bei hoheitlichen Aufgaben die Hinzuziehung von Privatpersonen durch den Gesetzgeber eröffnet ist, sind diese Tätigkeiten auf reine Assistenztätigkeiten beschränkt. 

Die Ordnungsbehörde muss Herrin des Messgeräts sein

Steht das Messgerät nicht im Eigentum des Hoheitsträgers, muss sichergestellt sein, dass jegliche Einflussnahme des privaten Eigentümers auf die Verwendung des Messgeräts, namentlich Zeit, Ort und Umfang der hoheitlichen Messung, ausgeschlossen ist. Schon die Verknüpfung der Bezahlung des Messgeräts durch die erzielten Bußgelder ist dabei bedenklich, da damit bereits eine direkte Verknüpfung des wirtschaftlichen Erfolges des "Verleihers" mit dem Einsatz des Messgeräts erzeugt wird. Dass dies nicht nur eine bloße Befürchtung ist, zeigt das Urteil vom 07.04.2017 (OLG Frankfurt 2 U 122/16). Die Vertragskonstruktion beinhaltete ein Kündigungsrecht des Überlassungsvertrages durch die Verleiher für den Fall nicht ausreichender Rendite. Damit wirkt der Verleiher direkt (durch Kündigung) oder indirekt (durch Drohung mit Kündigung) auf die Entscheidung des Hoheitsträgers über die Verwendung des "überlassenen" Messgeräts ein. 

Die Ordnungsbehörde muss Herrin des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels sein (Garantie der Authentizität der Messdaten)

Mit der Zustellung eines Bußgeldbescheides erhebt die Ordnungsbehörde gegenüber dem Betroffenen den Vorwurf verkehrsfeindlichen Verhaltens, benennt Tatzeit und Tatort, sowie das Beweismittel (i.d.R. Messbild und Messdaten). Sie ist als zuständige Behörde dafür verantwortlich, dass das Verfahren, das zur Ermittlung des Vorwurfs geführt hat, nach Recht und Gesetz durchgeführt worden ist. Das heißt konkret, die Gewinnung des Beweismittels (i.d.R. die digitalen Messrohdaten bzw. Falldateien, in die sie auf Antrag des Betroffenen auch Einsicht zu gewähren hat) muss durch die Ordnungsbehörde selbst erfolgen. Nur so kann sie die Authentizität der Daten garantieren. Da die digitalen Messrohdaten bzw. Falldateien bei der Ordnungsbehörde verbleiben und in die Verfahrensakte nur die lesbare Form, das heißt, das daraus gewonnene Messbild und die Messdaten Eingang finden, muss sie desweiteren im ununterbrochenen Besitz dieser digitalen Messrohdaten bzw. Falldateien sein. 

Ist das nicht sicher gewährleistet, kommt es zum Bruch der Beweismittelkette und die Ordnungsbehörde leitet ein Verfahren ein, bei der sie nicht die gesetzlich verlangte Verantwortlichkeit des Hoheitsträgers für die Rechtmäßigkeit der Beweismittelgewinnung, insbesondere Authentizität der Messdaten, übernehmen kann (vgl. OLG Frankfurt v. 03.03.2016 - 2 Ss-OWi 1059/15). Für die gerichtliche Verhandlung entfällt dann u.a. die in § 256 StPO normierte Privilegierung für Handlungen und Erklärung öffentlicher Behörden.

Die Ordnungsbehörde muss die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführen (Garantie der Rückführbarkeit des Messbildes und der Messdaten auf die digitalen Messrohdaten bzw. Falldateien)

Bei Verwendung von Verkehrsüberwachungsanlagen sind die primären Beweismittel die in Messbild und Messdaten umgewandelten Falldateien. Die Umwandlung dieser digitalen Daten in eine lesbare und damit auswertbare und gerichtsverwertbare Form durch von der PTB zugelassene Programme ist hoheitliche Kernaufgabe der Ordnungsbehörde. Nur so kann die Authentizität des gerichtsverwertbaren Beweismittels mit der digitalen Falldatei sichergestellt und ausgeschlossen werden, dass die Messbilder und Messdaten nicht manipuliert sind.

Nach der Umwandlung schließt sich die Auswertung der so gewonnenen Messdaten an. Diese hat in der von der PTB vorgegebenen Art und Weise ebenfalls ausschließlich durch die Ordnungsbehörde zu erfolgen. Hier ist eine Hinzuziehung von privaten Dienstleistern kraft Gesetz ausgeschlossen. Gem. §§ 1, 3, 65 OWiG hat die zuständige Ordnungsbehörde und nicht ein privater Dienstleister mit erfolgsabhängiger Bezahlung zu entscheiden, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist.

Für die auch vorliegend gegebene vereinbarte Vorselektion durch private Dienstleister (oder auch "Vorauswertung") ist insoweit kein Raum. Die Hinzuziehung privater technischer Hilfe ist auf die Bereiche beschränkt, in denen der Hoheitsträger keine ihm ausschließlich zugewiesene hoheitliche Aufgabe wahrnimmt.

Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde (§ 47 Abs. 1 OWiG).

Dies setzt voraus, dass sie rechtlich und tatsächlich die notwendige Bewertung überhaupt vornehmen kann. Liegen die Voraussetzungen unter 1. und 2.a) nicht vor, ist bereits rechtlich nicht sichergestellt, dass es sich überhaupt um eine hoheitliche Maßnahme handelt. Sind hingegen die unter 2.b) und c) genannten Voraussetzungen nicht gegeben, fehlt ihr die tatsächliche Bewertungsmöglichkeit, weil die Ordnungsbehörde bereits die Herkunft der Beweismittel nicht sicher kennt und bewerten kann.

Für die richterliche Überprüfung von Verkehrsordnungswidrigkeiten, denen in der Regel ein durch ein standardisierten Messverfahren gewonnenes Beweismitel zu Grund liegt folgt daraus, dass die Ordnungsbehörde, die gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden ist, mit der Entscheidung nach § 47 OWiG ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten, die Gewähr übernimmt, dass die rechtlichen Voraussetzungen, namentlich die oben genannten Bedingungen, erfüllt sind. Die Überwachung wird durch die zuständige Fach- und Dienstaufsicht sichergestellt.

Das Gericht kann und muss grundsätzlich davon ausgehen, dass die Ordnungsbehörden sich gesetzeskonform verhalten. Eine von Amts wegen durchzuführende Überprüfung dieser Voraussetzungen ist daher grds. nicht geboten. Bestehen beim Gericht Zweifel, kann es nach § 69 Abs. 5 OWiG verfahren. Bestehen im Einzelfall beim Betroffenen Zweifel obliegt es zunächst ihm, diese Zweifel durch Tatsachen zu erhärten, da er das Vertrauen in das rechtsstaatliche verwaltungsrechtliche Handeln erschüttern muss. Behauptungen "ins Blaue hinein" braucht das Gericht, wie sonst auch, nicht nachzugehen.

Gericht:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Beschluss vom 26.04.2017

OLG Frankfurt
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