Der Sachverhalt
Die beiden Angeklagten begaben sich mit dem Auto nach Stuttgart, um dort einkaufen zu gehen. In Stuttgart angekommen, parkten sie den Pkw auf einem Sonderparkplatz für Behinderte. Eine der beiden Angeklagten war Mutter eines behinderten Sohnes. Der Sohn war nicht dabei. Trotzdem legte der Fahrzeugführer mit Wissen und Wollen der Mutter den Parkausweis ihres Sohnes gut sichtbar auf das Armaturenbrett des Fahrzeugs, wobei das Lichtbild des Sohnes auf der Rückseite war und nicht eingesehen werden konnte.
Den Angeklagten kam es darauf an, diesen Parkplatz benutzen zu können, obwohl beide genau wussten, dass sie nicht berechtigt waren, hier zu parken, nachdem der Ausweisinhaber nicht dabei war und die Fahrt nicht für ihn bestimmt war, sondern lediglich Shoppingzwecken der beiden Angeklagten diente. Das Fahrzeug wurde sodann durch die Polizei kontrolliert und die Straftat aufgedeckt.
Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte die beiden Angeklagten jeweils wegen Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Geldstrafe. Gegen das Urteil legten beide Angeklagten Rechtsmittel ein. Beide Angeklagten rügten die Verletzung materiellen Rechts. Sie beriefen sich im Wesentlichen darauf, dass § 281 StGB eine Identitätstäuschung voraussetze, die bei dem festgestellten Sachverhalt nicht vorliege.
Die Entscheidung des Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 2 Ss 349/13)
In subjektiver Hinsicht sei eine Strafbarkeit nach § 281 StGB nicht begründet, so das OLG Stuttgart. Bei dem verwendeten Parkausweis handelt es sich zunächst um ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 StGB.
Ausweispapiere sind Papiere, die dem Nachweis der Identität oder der persönlichen Verhältnisse einer Person dienen und von einer öffentlichen Stelle ausgestellt sind. Der hier benutzte Parkausweis erfüllt diese Voraussetzungen einer amtlichen Urkunde, da er von einer öffentlichen Stelle - der Stadt T. - ausgestellt wurde, und sowohl dem Nachweis einer entsprechenden Parkberechtigung als auch - in Verbindung mit dem Lichtbild - dem Nachweis der Personenidentität dient. Durch Auslage des Parkausweises auf dem Armaturenbrett haben die Angeklagten den Parkausweis der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht und damit im Sinne des § 281 Abs. 1 StGB gebraucht (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl. § 281 Rn. 3 i.V.m. § 267 Rn. 36). Die Primärfunktion eines Ausweises liegt darin, die Personenidentität zwischen dem Besitzer und dem Inhaber der Urkunde zu dokumentieren.
Wurde der Parkausweis "zur Täuschung im Rechtsverkehr" verwendet?
§ 281 StGB erfordert in subjektiver Hinsicht, dass das Ausweispapier "zur Täuschung im Rechtsverkehr" verwendet wird. Die bloße Auslage des Parkausweises (mit dem Lichtbild auf der Rückseite) auf dem Armaturenbrett des Fahrzeugs erfolgt indes nicht zur Täuschung im Rechtsverkehr in dem von § 281 StGB vorausgesetzten Sinn. Das OLG ist mit der herrschenden Meinung der Auffassung, dass die beabsichtigte Täuschung die Identität des Täters betreffen muss.
Dies ist bei der Auslage eines für eine andere Person ausgestellten Parkausweises für Behinderte aber nicht der Fall. Der den Parkausweis auslegende Fahrer des Pkws gibt nicht notwendigerweise vor, auch der Inhaber des Parkausweises zu sein. Die Parkerleichterung gilt nämlich nicht nur für den Behinderten als Selbstfahrer, sondern auch für den ihn jeweils befördernden Fahrzeugführer, wobei die Fahrt allerdings der Beförderung des Behinderten dienen muss.
Wenn aber die Parkerleichterung auch für den den Behinderten befördernden Fahrzeugführer wirksam ist, täuscht ein Fahrzeugführer, der den für den Behinderten ausgestellten Parkausweis nutzt, ohne dass die Fahrt der Beförderung des Behinderten dient, nicht darüber, selbst Inhaber der Parkberechtigung zu sein, sondern nur darüber, den Inhaber der Parkberechtigung befördert zu haben.
Fazit:
Zwar ist der subjektive Tatbestand des § 281 StGB nicht erfüllt und das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart wurde aufgehoben, doch könnte das Verhalten der Angeklagten als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Genau aus diesem Grund wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart zurückverwiesen. Am Ende könnte es für die Angeklagten weitaus "teurer" werden.
Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 27.08.2013 - 2 Ss 349/13
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