Der Sachverhalt
Die Perdehalterin stellte dem Tierarzt ihr Pferd zur Behandlung vor, nachdem sie an der Innenseite des rechten hinteren Beines in der Höhe des Unterschenkelknochens eine Verletzung festgestellt hatte. Zum Zeitpunkt des Eintreffens des Beklagten auf dem Hof der Halterin war das Pferd bereits von der Weide geholt und an einem Balken angebunden worden.
Der Tierarzt verschloss die Wunde und gab die Anweisung, das Pferd müsse zwei Tage geschont werden. Es könne dann aber wieder geritten werden, soweit keine Schwellung im Wundbereich eintrete. Drei Tage später wurde das Pferd zum Beritt abgeholt. Die Reiterin stellte beim ersten Beritt leichte Taktunreinheiten im Bereich des verletzten Beines fest und stellte daraufhin das Reiten ein. Weitere drei Tage später diagnostizierte der Tierarzt eine Fraktur des verletzten Beines. Die Operation der Fraktur gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet.
Wie sich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im Prozess herausstellte, hatte sich das Pferd durch den Tritt eines Artgenossen nicht nur eine äußerliche Wunde zugezogen, sondern auch eine Fissur des Knochens. Diese Fissur hatte sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (14 U 100/14)
Mit dem Landgericht ging der Senat von einem schweren Behandlungsfehler durch den beklagten Tierarzt aus. Dieser hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit eine Fissur bestand, so das Urteil (14 U 100/14) des OLG Oldenburg. Er hätte dazu weitere Untersuchungen vornehmen müssen, die die Fissur bestätigt hätten. Sodann hätte er die Empfehlung aussprechen müssen, das Tier möglichst so zu halten, dass es sich wenig bewegen und sich insbesondere nicht hinlegen kann. Tatsächlich war die Fraktur des Beines beim Aufstehen des Pferdes entstanden, während es alleine im Paddock gehalten wurde.
Der juristische Kern des Falles lag insbesondere in der Frage, ob der schwere Behandlungsfehler ursächlich für die Fraktur geworden war. Dies konnte der Sachverständige nicht eindeutig bejahen oder verneinen, weshalb es darauf ankam, ob die Tierhalterin oder der Tierarzt die Beweislast trägt.
Beweislast hat grundsätzlich der Tierhalter
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Tierhalter. Das Landgericht hatte allerdings in entsprechender Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zum ärztlichen Behandlungsvertrag in der Humanmedizin eine Beweislastumkehr bei einem schweren Behandlungsfehler angenommen.
Dem folgte der Senat nicht. Generell könnten die zur Humanmedizin getroffenen Vorschriften nicht analog angewendet werden. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der ähnlich gelagerten Problematik bei Behandlungsverträgen mit Tierärzten davon abgesehen, entsprechende Vorschriften in das Gesetz aufzunehmen.
Umkehr der Beweislast
Im Ergebnis nahm der Senat dennoch die Umkehr der Beweislast an und teilte damit die Auffassung des Landgerichts zur Eintrittspflicht des Tierarztes: Die Frage der Beweislastumkehr sei nicht generalisierend, sondern in jedem Einzelfall zu prüfen. Sie komme hier in Betracht, weil der Tierarzt durch seinen Rat, das Pferd könne bereits nach zwei Tagen wieder geritten werden, das Risiko einer Fraktur mit dem für das Tier tödlichen Ausgang noch wesentlich erhöht habe.
Nach dieser Entscheidung hat das Landgericht über die Höhe des Schadensersatzanspruches zu entscheiden, den die Tierhalterin mit mehr als 100.000 € beziffert. Die Revision ist im Hinblick auf die Frage der Beweislastumkehr zugelassen worden.
Vorschrift zur Humanmedizin
§ 630h BGB Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler
(5) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.
Gericht:
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 26.03.2015 - 14 U 100/14
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