Wird ein Schuldner durch den Hinweis auf eine ansonsten fortdauernde Publikation seiner Fotos im Internet veranlasst, eine notarielle Zahlungsverpflichtung abzugeben, ist dies nach den jeweiligen Umständen als widerrechtliche Drohung zu werten.

Der Sachverhalt

Anlässlich zweier Besuche bei Prostituierten an verschiedenen Tagen hatte ein Freier "Stinkbomben" geworfen und so den weiteren Betrieb des Bordells zum Erliegen gebracht. Es gelang dem Bordellbetreiber, ihn zu identifizieren, nachdem dieser aus der Videoüberwachungsanlage gespeicherte Fotos seiner Person ins Internet gestellt hatte.

Besuch vom Bordellbetreiber

Nach seiner Identifizierung wurde der Mann in seiner Wohnung aufgesucht. Später kam zu einem gemeinsamen notariellen Termin, bei dem der Mann im Hinblick auf die durch sein Verhalten entstandenen Schäden ein auf 12.000 € nebst Zinsen lautendes Schuldanerkenntnis gegenüber des Bodellbetreibers unterzeichnete und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwarf.

Notarielle Zahlungsverpflichtung

In der Urkunde versprach der Bordellbetreiber die Fotos aus dem Internet zu nehmen und alle Daten unter Verschluss zu halten. Des Weiteren sollten die gegen ihn gestellten Strafanträge zurückgezogen werden, sobald er seine Zahlungszusage erfüllt hatte.

Der nun klagende Mann beantragte nach seiner Anfechtung, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären. Das Schuldanerkenntnis stehe in keinem Verhältnis zu dem angerichteten Schaden und sei wucherisch. Unabhängig davon habe er es rechtswirksam angefochten, da er unter Druck gesetzt worden sei. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen: Der Kläger habe ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben, das ihm den Einwand, betraglich überfordert worden zu sein, abschneide. Er sei auch nicht in verwerflicher Weise bedroht worden. Das greift der Kläger mit der Berufung an. Seiner Ansicht nach vernachlässigt die angefochtene Entscheidung die Zwangslage, in der er sich befunden habe.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz (Az. 5 U 1243/13)

Auf die Berufung des Klägers hat der 5. Zivilsenat der Klage stattgegeben und die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt.

Ein unter Fortdauer der Veröffentlichung im Internet erwirktes notarielles Schuldanerkenntnis sei anfechtbar, wenn es unter der Drohung zustande gekommen sei, die Veröffentlichung erst nach einem derartigen Zahlungsversprechen zu beenden. Eine solche Drohung müsse nicht ausdrücklich erklärt werden, sie könne sich auch wie im vorliegenden Fall aus den Umständen und somit konkludent ergeben.

Publikation war gemäß § 22 KunstUrhG verboten

Aus dem Urteil: [...] Indem die Beklagte die notarielle Zahlungszusage des Klägers durch den Hinweis auf die ansonsten fortdauernde Publikation der Fotos herbeiführte, übte sie eine widerrechtliche Drohung aus, weil die Veröffentlichung gegen das Gesetz verstieß und unabhängig von jedwedem Entgegenkommen des Klägers hätte beendet werden müssen (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 123 Rn. 16). Die Publikation war gemäß § 22 KunstUrhG verboten und damit ohne Weiteres zu unterlassen. Die Vorschrift gestattet die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen einer Person nur mit deren Erlaubnis, an der es im vorliegenden Fall fehlte. [...]

[...] Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe ein legitimes Interesse daran gehabt, "denjenigen ausfindig" zu machen, "der die Stinkbomben im Bordell zerplatzen ließ", "nicht zuletzt, um weitere Anschläge zu vermeiden". Selbst wenn man darin - was aus der Sicht des Senats freilich eher fern liegt - primär einen Rechtfertigungsgrund gemäß § 227 BGB oder § 34 StGB (zu dessen Anwendung im Zivilrecht vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 227 Rn. 10) sähe, war für einen solchen Rechtfertigungsgrund jedenfalls kein Raum mehr, nachdem die Beklagte die Identität des Klägers ermittelt hatte und dessen Urheberschaft feststand. Diese Situation war bei der Errichtung der notariellen Urkunde längst eingetreten. [...]

Kurzum:

Die vom Schuldner nachträglich erklärte Anfechtung führte zur Hinfälligkeit seiner Verpflichtung. Es lag ein unzulässiger Zwang vor, die laufende Veröffentlichung von Fotos im Internet erst bei Abgabe einer notariellen Zahlungsverpflichtung zu beenden.

Gericht:
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 15.01.2014 - 5 U 1243/13

OLG Koblenz
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Bordellbetrieb - Die Konzentration von Einrichtungen des Sex-Gewerbes führen erfahrungsgemäß zu einer Gebietsabwertung. Somit darf im Gewerbegebiet südlich des Doms zu Speyer kein weiterer Bordellbetrieb verwirklicht werden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz. Urteil lesen

Strafrecht: Wer einen Amoklauf androht, muss mit einem Strafverfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten rechnen und die Kosten des dafür notwendigen Polizeieinsatzes tragen. Urteil lesen

Mit Urteil hat das VG Gießen die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung eines ehemaligen Seniorenheims in einen bordellartigen Betrieb abgelehnt. Der Betrieb war illegal bis zu einer Nutzungsuntersagung im Februar 2012 betrieben worden. Urteil lesen

Das OLG Düsseldorf hat durch Urteil einem Telekommunikationskonzern verboten, seinen Kunden trotz bestrittener Forderungen mit einem Schufa-Eintrag zu drohen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte das Unternehmen auf Unterlassung verklagt. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de