Aus der Entscheidung
In einem allgemeinen Wohngebiet überschreite die Haltung von mehr als 20 Hühnern bzw. Geflügel und mehr als einem Hahn den Rahmen der wohntypischen Freizeitbeschäftigung, so die Entscheidung des VGH Bayern vom 28.04.2016 - 9 CS 15.2118.
In einem Wohngebiet ist die Zulassung von Anlagen der Kleintierhaltung nur zulässig, soweit die Kleintierhaltung den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengt und auch nicht der Eigenart des Gebiets widerspricht. Ausgehend von den besonderen Verhältnissen im Baugebiet darf die Kleintierhaltung nach Art und Anzahl der Tiere und ihrer Unterbringung das in dem Baugebiet nach der Verkehrsauffassung übliche Maß nicht überschreiten (Stock, a. a. O., § 14 Rn. 33; Arnold in Bönker/Bischopink, BauNVO, 1. Auflage 2014, § 14 Rn. 25 f.).
Da allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen dienen (§ 4 Abs. 1 BauNVO), ist die freizeitgemäße Kleintierhaltung nur in einem den Wohnbedürfnissen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) gerecht werdenden Umfang gebietsverträglich. Zu den anerkannten Wohnbedürfnissen gehört dabei nicht nur innerhalb der Wohngebäude vor Beeinträchtigungen durch Außengeräusche geschützt zu sein, sondern auch die für das Wohnen im Freien geeigneten und bestimmten Grundstücksflächen angemessen nutzen zu können (BVerwG, B. v. 20.4.2010 - 4 BN 17.10 m. w. N.).
Deshalb kann die Haltung von Kleintieren (auch) im Freien - wie hier - und die damit einhergehenden Geruchs- oder Geräuschbelästigungen dem Interesse an einem möglichst störungsfreien Wohnen eher zuwiderlaufen als deren Haltung in Gebäuden. So hat das OVG Koblenz die Auffassung vertreten, dass die Haltung von mehr als 20 Stück Hühnern mit mehr als einem Hahn den Rahmen einer für die Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung sprengt (vgl. OVG RhPf, B. v. 2.10.2006 - 8 B 11048/06; ebs. VG Stuttgart, U. v. 23.9.2015 - 5 K 2780/13; Stock, a. a. O., § 14 Rn. 34 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand November 2015, § 14 Rn. 61 jeweils m. w. N.).
Angesichts der Klarstellung in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, dass zur Kleintierhaltung auch die Kleintiererhaltungszucht gehört (vgl. bereits BVerwG, B. v. 5.1.1999 - 4 B 131.98 - BauR 1999, 732 zur Sporttaubenzucht), dürfte eine Beschränkung auf nur einen Hahn schon aufgrund der auch männlichen Nachzucht zwar nicht generalisierend gerechtfertigt sein, zumal - wie vorliegend - dem Ruhebedürfnis der Nachbarschaft insoweit Rechnung getragen werden kann, dass die erwachsenen Hähne zur Nachtzeit in einem abgedunkelten Stall gehalten werden. Im Übrigen dürfte aber außer Frage stehen, dass sich die Haltung von Geflügel im Wohngebiet nach wie vor auf einige wenige Stück zu beschränken hat, um den Wohnerwartungen der Wohnbevölkerung in einem vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebiet gerecht zu werden (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 14 Rn. 33 m. w. N.).
Dies zugrunde gelegt, erscheint die Zahl von 20 Stück Geflügel als obere Grenze in Wohngebieten jedenfalls nicht zu gering bemessen. Inwieweit nach der Größe der Grundstücke und unter Berücksichtigung einer herkömmlichen oder regional traditionellen Kleintierhaltung hiervon abgewichen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls.
Gericht:Verwaltungsgerichtshof Bayern, Beschluss vom 28.04.2016 - 9 CS 15.2118
VGH Bayern
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