Eine iranische Studentin hat ihren Abschluss im Iran an einer auf Technik, Ingenieurswissenschaften und Physik spezialisierten Universität erworben. In Deutschland möchte sie promovieren und begehrt ein Visum. Die Deutsche Botschaft in Teheran lehnte den Antrag ab, da sie ihr in Deutschland erworbenes Wissen missbräuchlich verwenden könnte.

Der Sachverhalt

Zur Aufnahme eines Promotionsstudiums an einer deutschen technischen Universität begehrt die Studentin ein Visum. Ihr Forschungsvorhaben im Bereich IT-Sicherheit wird von der deutschen Hochschule mit einem Promotionsstipendium gefördert. Die Deutsche Botschaft in Teheran lehnte den Antrag ab.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin ihr in Deutschland in einem kritischen Forschungsbereich erworbenes Wissen missbräuchlich verwende, etwa für militärische, nachrichtendienstliche oder repressive Zwecke. Die iranische Universität werde als regimenah angesehen.

Verwaltungsgericht hat Zweifel

Das Verwaltungsgericht hat Zweifel, ob die Bundesrepublik Deutschland die Klägerin aus diesen Gründen als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit im Sinne der sog. Europäischen Studentenrichtlinie betrachten darf. Möglicherweise stehe den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten europarechtlich ein Beurteilungsspielraum zu, so dass die Gefahreinschätzung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Es hat das Klageverfahren daher ausgesetzt und dem EuGH drei Fragen zur Entscheidung vorgelegt.

Klageverfahren daher ausgesetzt - Vorlagefragen an den Gerichtshof der Europäischen Union

1a. Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Prüfung, ob ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet wird, über einen Beurteilungsspielraum verfügen, aufgrund dessen die behördliche Einschätzung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt?

1b. Im Fall einer Bejahung von Frage 1a:

Welche rechtlichen Grenzen unterliegen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Einschätzung, dass ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu betrachtet ist, insbesondere im Hinblick auf die der Einschätzung zugrunde zu legenden Tatsachen und deren Würdigung?

2.Unabhängig von der Beantwortung von Fragen 1a und 1b:

Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten hiernach befugt sind, in einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, in dem eine Drittstaatsangehörige aus dem Iran, die ihren Hochschulabschluss im Iran an der auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisierten Sharif University of Technology (Teheran) erworben hat, die Einreise zum Zweck der Aufnahme eines Promotionsstudiums im Bereich der IT-Sicherheitsforschung im Projekt „Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme“, insbesondere Entwicklung effektiver Schutzmechanismen für Smartphones, anstrebt, die Zulassung in ihr Hoheitsgebiet mit Hinweis darauf zu versagen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die im Zusammenhang mit dem Forschungsvorhaben erlangten Fähigkeiten im Iran missbräuchlich eingesetzt würden, etwa zur Verschaffung von vertraulichen Informationen in westlichen Ländern, zum Zweck der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen?

Gericht:
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 10.10.2015 - VG 19 K 355.13 V

VG Berlin, PM
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Arbeitslosengeld kann nur beanspruchen, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Nach dem Urteil des LSG Hessen steht die Einschreibung an einer Universität der Verfügbarkeit nicht entgegen. Urteil lesen

Deutsche Behörden und Gerichte müssen ausländische Sorgerechtsentscheidungen im Visumverfahren grundsätzlich anerkennen. Sie dürfen diese nur dann außer Acht lassen, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist. Urteil lesen

Mit Urteil hat das BVerwG entschieden, dass die Kontaktaufnahme einer Kandidatin in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung mit dem Prüfer einer von ihr verfassten Examensklausur nicht schon als solche als unzulässiger Versuch einer Beeinflussung des Prüfers sanktioniert werden durfte. Urteil lesen

Zu Recht verhängte die Uni Göttingen Werbe- und Hausverbote gegen zwei kommerzielle juristische Repetitorien. Die Werbung in den Räumen der Uni erwecke bei den Studierenden den (falschen) Eindruck, als sei das Angebot der Uni nicht ausreichend. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de