Auch eine unter Verwendung falscher Personalien erschlichene Einbürgerung ist wirksam. Die Einbürgerungsbehörde kann daher nicht die Nichtigkeit einer auf diese Weise erschlichenen rechtswidrigen Einbürgerung feststellen. Möglich ist nur deren Rücknahme innerhalb der dafür bestimmten Frist von fünf Jahren.

Der Sachverhalt

Wie der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil (Az. 1 S 49/13) mitteilt, reiste der Kläger, ein pakistanischer Staatsangehöriger, im Jahre 1995 nach Deutschland ein. Unter Verwendung falscher Personalien gab er sich als afghanischer Staatsangehöriger aus und stellte einen Asylantrag.

Im Asylverfahren wurde ein Abschiebungsverbot für Afghanistan festgestellt. Daraufhin erhielt der Kläger eine Aufenthaltsgenehmigung. Auf seinen Antrag wurde er im Juli 2004 durch Aushändigung einer Einbürgerungsurkunde unter der falschen Identität eingebürgert.

Kläger beantragt Berichtigung der Personalien

Im Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Stuttgart (Beklagte), seine Personalien zu berichtigen. Er gab zu, unter falschen Personalien aufgetreten sei; nach mehr als fünf Jahren könne die Einbürgerung aber nicht mehr zurückgenommen werden.

Die Beklagte stellte daraufhin fest, die Einbürgerungsurkunde sei nicht wirksam geworden; außerdem sei die Einbürgerung von vornherein nichtig, so dass es keiner Rücknahme bedürfte. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage des Klägers wies das Verwaltungsgericht Stuttgart ab. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hatte Erfolg.

Die Entscheidung

Der VGH hob die Feststellungen der Beklagten auf. Die Einbürgerung sei entgegen der Auffassung der Beklagten durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde wirksam bekannt gegeben worden. Der Kläger sei als Beteiligter des Einbürgerungsverfahrens richtiger Adressat des Einbürgerungsakts gewesen.

Einbürgerungsurkunde sei wirksam bekannt gegeben worden

Dass er über seinen wahren Namen, sein wahres Geburtsdatum und seine wahre Herkunft getäuscht habe, ändere daran nichts. Die Einbürgerungsurkunde sei auch für ihn bestimmt gewesen. Das gelte unabhängig davon, ob die von ihm angegebenen Personalien solche einer real existierenden oder einer frei erfundenen Person seien.

Die von ihm persönlich entgegengenommene Einbürgerungsurkunde sei auch nur für ihn bestimmt gewesen. Darin liege ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen postalisch übermittelter Verwaltungsakte, bei denen der Adressat allein aus dem Text der Urkunde ersichtlich sei.

Der anhaftende Fehler sei nicht "besonders schwerwiegend"

Die Einbürgerung sei auch nicht, wie die Beklagte annehme, wegen eines besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehlers im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nichtig. Der ihr infolge der arglistigen Täuschung des Klägers anhaftende Fehler sei jedenfalls nicht "besonders schwerwiegend" im Sinne dieses Gesetzes, das insoweit strenge Anforderungen stelle.

Kläger genieße Schutz der Fünf-Jahres-Frist zur Rücknahme einer Einbürgerung

Die Täuschung über Name und Geburtsdaten wiege nicht schwerer als jede andere Täuschung über Umstände, die keine Voraussetzung für einen Einbürgerungsanspruch seien. Die Täuschung des Klägers führe zwar zur Rechtswidrigkeit der Einbürgerung und stelle den typischen Fall einer Täuschung dar, die nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz zu einer Rücknahme der Einbürgerung berechtige, was aber voraussetze, dass die Einbürgerung nicht schon von vornherein nichtig sei. Dem Kläger komme damit der Schutz der gesetzlichen Fünf-Jahres-Frist zur Rücknahme einer Einbürgerung nach deren Bekanntgabe zugute.

§ 35 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) - Auszug -:

"(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. ...
(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen."

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde zugelassen.

Gericht:
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2013 - 1 S 49/13

VGH Baden-Württemberg
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