Wie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg hervorgeht, sei es ein Dienstunfall, wenn sich der Klassenlehrer beim Verlassen des Unterrichtsraums von seinen Schülern in eine Schneeballschlacht auf dem Schulgelände verwickeln lässt und dabei eine Augenverletzung erleidet. Auch wenn die Schulordnung das Werfen von Schneebällen untersagt und der Lehrer damit gegen ein wirksames Verbot des Dienstherrn verstoßen haben sollte, verliere er damit nicht dessen dienstunfallrechtliche Fürsorge.
Der Sachverhalt
Beim Verlassen des Unterrichtsraums auf dem Weg zum Hauptgebäude wurde ein Lehrer von ca. 15 Schülern seiner Klasse mit Schneeballwürfen empfangen. Er sei zunächst mit schützend vor das Gesicht gehaltener Mappe auf die Schüler zugerannt, habe versucht, den nahestehenden Werfern die Schneebälle aus der Hand zu schlagen, und ihnen zugerufen, sie sollten aufhören, weil es unfair sei, wenn alle auf ihn werfen. Daraufhin sei eine allgemeine Schneeballschlacht entbrannt, bei der alle auf alle geworden hätten, woran er sich dann mit eigenen Würfen beteiligt habe. Dabei wurde der Lehrer direkt aufs Auge getroffen und war nach der Operation seines Auges einen Monat lang dienstunfähig krankgeschrieben.
Das Regierungspräsidium Freiburg als Schulbehörde hatte seinen Antrag auf Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall abgelehnt, weil der natürliche Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben fehle. Er habe den Interessen des Dienstherrn zuwidergehandelt, da nach der Schulordnung das Schneeballwerfen sogar ausdrücklich verboten gewesen sei. Er sei nicht als Lehrer im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber den Schülern eingeschritten, sondern habe privat als gleichgeordneter Teilnehmer an der Schneeballschlacht mit den Schülern teilgenommen und durch Missachtung des Verbots seine erzieherische Vorbildfunktion verletzt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg
Das Gericht gab der Klage des Lehrers gegen das Regierungspräsidium statt und verpflichtete es zur Anerkennung eines Dienstunfalls.
Der Unfall habe sich noch "in Ausübung des Dienstes", nämlich am Dienstort auf dem Schulgelände und auch noch während der Dienstzeit ereignet, als der Lehrer beim Verlassen des Unterrichtsraums auf dem Weg zum Hauptgebäude von ca. 15 Schülern seiner Klasse mit Schneeballwürfen empfangen worden sei. Nach dem geschilderten Sachverhalt sei es lebensfremd, wenn das Regierungspräsidium diesen einheitlichen Vorgang in eine noch dienstliche, rein defensive Verteidigungsphase und eine anschließende außerdienstliche, rein private aktive Teilnahme an der Schneeballschlacht aufspalte.
Die Schneeballschlacht war ein Ausdruck der Lebensfreude seiner Schüler
Es sei nachvollziehbar und jedenfalls nicht unvertretbar, dass der Lehrer selbst sich als noch im Dienst betrachtet und die Schneeballschlacht nicht als Privatsache verstanden habe. Er habe plausibel dargelegt, dass er wegen seines guten Verhältnisses zu den Schülern ihren Schneeballangriff nicht als böswillig, sondern als Ausdruck der Lebensfreude und für sich als Herausforderung begriffen habe und dass er sich mit einer bloßen Aufforderung aufzuhören und einem teilnahmslosen Verlassen des Handlungsortes auch als Pädagoge lächerlich gemacht hätte.
Dienstunfallrechtliche Fürsorge trotz Verstoßes gegen Hausordnung
Es könne dahinstehen, ob, in welchem Umfang und für welchen Personenkreis die Hausordnung der Schule überhaupt gelte. Selbst wenn nämlich der Lehrer mit seinen Schneeballwürfen gegen ein wirksames Verbot des Dienstherrn verstoßen haben sollte, verliere er damit nicht dessen dienstunfallrechtliche Fürsorge. Wie im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht schließe nämlich selbst verbotswidriges Verhalten einen Versicherungsfall nicht aus.
Im Beamtenrecht sei dies allenfalls dann der Fall, wenn Beamte den dienstlichen Rahmen objektiv und subjektiv derart verlassen, dass sein Verhalten sich als ein „dienstfremder Exzess“ darstelle, wie dies in der Rechtsprechung etwa zu einer Alkoholfahrt nach einer Betriebsfeier oder einer Schlägerei bei einer dienstlichen Weihnachtsfeier entschieden worden sei. Davon könne im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Binnen eines Monats nach Urteilszustellung kann noch die vom Gericht zugelassene Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim eingelegt werden.
Gericht:
Verwaltungsgericht Freiburg, Urteil vom 04.12.2012 - 5 K 1220/11
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