Der Sachverhalt
Alle Antragsteller hatten zum Wintersemester 2011/12 keinen Studienplatz bekommen, obwohl sie bereits seit sechs Jahren auf eine Zulassung warten.
Ca. 40% der Studienplätze in den Studiengängen Tier- und Humanmedizin werden von der Stiftung für Hochschulzulassung in einem zentralen Vergabeverfahren vergeben. Die übrigen Studienplätze vergeben die Hochschulen selbst. Von der Stiftung werden die Studienplätze im Wesentlichen nach den von den Studienbewerbern erzielten Abiturdurchschnittsnoten und der von ihnen erreichten Wartezeit vergeben.
Kein Abiturnotendurchschnitt von 1,0 bis 1,2
Die Antragsteller erfüllten mit ihren Abiturnoten nicht die für eine Auswahl in der Abiturbestenquote zum Wintersemester 2011/2012 maßgeblichen Auswahlgrenzen, die bei Durchschnittsnoten von 1,0 bis 1,2 lagen. Nach der vorläufigen Einschätzung der Kammer, die im Hauptsacheverfahren vertieft zu überprüfen ist, führt das zur Zeit anzuwendende Auswahlverfahren in der Praxis insgesamt dazu, dass Bewerber, deren Abiturnote nicht überdurchschnittlich gut ist, ohne erhebliche Wartezeiten keine Chance auf Zulassung zum Studium in einem der beiden Studiengänge haben. In der Wartezeitquote ist für eine Verteilung neben der angesammelten Wartezeit als nachrangiges Auswahlkriterium ebenfalls die Abiturnote maßgeblich. An dieser Auswahlgrenze sind die Antragsteller gescheitert.
Wartezeiten sind kontinuierlich angestiegen
Für Bewerber, die wegen ihrer schwächeren Abiturnote trotz einer Wartezeit von zwölf Halbjahren zum Wintersemester 2011/2012 nicht ausgewählt worden sind, wird die Wartezeit im Fach Tiermedizin (wegen der Zulassung ausschließlich zum Wintersemester) mindestens vierzehn Halbjahre betragen. Für entsprechende Bewerber im Fach Humanmedizin wird die Wartezeit mindestens dreizehn Halbjahre betragen, wobei schon zum Sommersemester 2011 selbst unter den Bewerbern mit dreizehn Halbjahren die mit den schwächsten Abiturnoten nicht ausgewählt worden sind. Verschärfend kommt nach Auffassung der Kammer hinzu, dass die Wartezeiten in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen sind.
Ein Bewerber, der vor sechs Jahren seine Hochschulzugangsberechtigung erworben habe, habe sich in seiner Lebensplanung also nicht auf eine Wartezeit von sieben Jahren einstellen können. Im Jahr 2005 betrug z. B. die Wartezeit für einen Humanmedizinstudienplatz noch vier Jahre.
Die Entscheidung
Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts sah nun vor dem Hintergrund entsprechender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus Clausus aus den siebziger Jahren die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten und sprach den Antragstellern vorläufig einen Studienplatz (in München, Hannover, Marburg und Kiel) zu. Zwar sei es nicht zu beanstanden, wenn bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen in erster Linie auf die Abiturnote abgestellt werde. Auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten müssten aber zumindest eine realistische Chance auf Zulassung haben. Dies sei bei Wartezeiten von mehr als sechs Jahren nicht mehr der Fall.
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 6 L 941/11; 6 L 929/11; 6 L 940/11 und 6 L 942/11
Redaktion Rechtsindex
PM VG Gelsenkirchen
Entscheidungshinweis: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte Ende September 2011 die Stiftung für Hochschulzulassung (früher ZVS) im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, Studienbewerber vorläufig zum Studium der Tier- bzw. Humanmedizin zuzulassen, weil diese bereits seit sechs Jahren auf eine Zulassung warteten. Gegen diese Entscheidungen des Verwaltungsgerichts legte die Stiftung für Hochschulzulassung beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde ein. Zugleich beantragte sie, die Vollziehung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts bis zur Entscheidung über die dagegen gerichteten Beschwerden auszusetzen. Am 6. Oktober 2011 entsprach der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts diesen Anträgen und stoppte vorläufig die vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wegen überlanger Wartezeit verfügte Studienplatzvergabe in medizinischen Studiengängen (vgl. Pressemitteilung des OVG NRW vom 06. Oktober 2011). Nunmehr hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts die Aussetzungsbeschlüsse bestätigt und den Beschwerden der Stiftung für Hochschulzulassung stattgegeben. Damit sind die Anträge auf vorläufige Zulassung zum Studium der Tier- bzw. Humanmedizin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen in den Aussetzungsbeschlüssen vom 6. Oktober 2011 bezogen. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1209/11, 13 B 1210/11, 13 B 1211/11, 13 B 1212/11, 13 B 1213/11 und 13 B 1224/11 Quelle: OVG NRW |