In einem Beschluss hat der BGH auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinwiesen, dass bei einem Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein dürfte (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).
Der Sachverhalt
Der Kläger erwarb von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen im Juli 2015 an ihn ausgelieferten Neuwagen VW Tiguan 2.0 TDI der ersten Generation, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet war. Das Fahrzeug ist mit einer Software versehen, die erkennt, ob es sich in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet und in diesem Fall (anders als im normalen Fahrbetrieb) verstärkt Abgase in den Motor zurückleitet, um eine Verringerung der am Auspuff gemessenen Stickoxide (NOx-Werte) zu erreichen.
Wegen dieser Software, die nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamts eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, verlangte der Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20. November 2015 erfolglos die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB).
Mit der Klage begehrt der Kläger in erster Linie die Ersatzlieferung eines Neufahrzeugs mit identischer Ausstattung und hilfsweise die Nachbesserung des von ihm erworbenen Fahrzeugs. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts produziert der Fahrzeughersteller seit 2016 allerdings nur noch die zweite Generation des entsprechenden Fahrzeugtyps, die mehrere Änderungen gegenüber der ersten Generation aufweist.
Der Prozessverlauf
Die Klage hat in den Vorinstanzen - mit Ausnahme des hilfsweise geltend gemachten Nachbesserungsverlangens - keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg (Az. 6 U 5/17) ist die vom Kläger begehrte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB).
Der Kläger habe ein Fahrzeug der ersten Generation des VW Tiguan erworben, das nicht mehr hergestellt werde. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Ersatzlieferung eines VW Tiguan der zweiten Generation zustehe, bedürfe schon deshalb keiner Entscheidung, weil es an einem dahingehenden Antrag fehle. Ohnehin stehe einem solchen Anspruch entgegen, dass die Fahrzeuge der zweiten Modellgeneration im Vergleich zu dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug der ersten Generation nicht gleichartig und gleichwertig seien.
Die seit 2016 produzierten Fahrzeuge der zweiten Generation seien anders motorisiert, nämlich mit 110 KW (150 PS) statt 103 KW (140 PS). Die Höchstgeschwindigkeit betrage nunmehr 202-204 km/h anstelle von 182-193 km/h; außerdem seien die Fahrzeuge der zweiten Modellgeneration um 6 cm länger und der Radstand um 8 cm breiter. Daher handele es sich um eine "komplett andere" Motorisierung. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein auf Nachlieferung gerichtetes Klagebegehren weiter.
Parteien vergleichen sich
Der Verhandlungstermin vom 27. Februar 2019 wurde aufgehoben, da der Kläger die Revision unter Hinweis darauf, dass sich die Parteien verglichen haben, zurückgenommen hat. Vorausgegangen war ein umfangreicher Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Januar 2019.
Aus dem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs
In diesem Beschluss (Az. VIII ZR 225/17) hat der Senat die Parteien auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinwiesen, dass bei einem Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein dürfte (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.
Zudem hat der Senat die Parteien auf seine vorläufige Einschätzung hingewiesen, dass die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sein könnte, die vom Käufer gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB geforderte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs sei unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil der Kläger ein Fahrzeug der ersten Generation der betreffenden Serie (hier: VW Tiguan 2.0 TDI) erworben habe, diese aber nicht mehr hergestellt werde und ein solches Modell auch nicht mehr beschafft werden könne.
Denn im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht dürfte - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein. Vielmehr dürfte es - nicht anders als sei das betreffende Modell noch lieferbar - im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ankommen.
Dies führt jedoch nicht zur Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB; vielmehr kann der Verkäufer eine Ersatzlieferung gegebenenfalls unter den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern, sofern die Ersatzlieferung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17
Hier finden Sie den Volltext des Beschlusses im PDF-Format.
BGH, PM 22/2019
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