Ein Anwohner wollte mit seinem Auto in die Garage fahren, doch die Zufahrt war durch ein anderes Fahrzeug versperrt. Der Anwohner schob kurzerhand das unverschlossene Fahrzeug beiseite und beschädigte dabei das Automatikgetriebe. Der Eigentümer des Fahrzeugs verlangt Schadensersatz. Zu Recht?
Der Sachverhalt
Am frühen Abend fuhr der Kläger mit einem Helfer und seiner siebenjährige Tochter nach München, um dort einen privat gekauften Schrank abzuholen. Er bleib mit seinem älteren automatikgetriebenen VW-Sharan samt Anhänger direkt vor einer Hofeinfahrt stehen. Der Kläger verließ dann zusammen mit seinem Helfer das Auto, um den Verkäufer des Schrankes zu treffen. Seine siebenjährige Tochter blieb allein im Auto zurück.
Während dieser Zeit kam ein Anwohner mit seinem Fahrzeug und wollte über die Hofeinfahrt zu seiner Garage. Da die Zufahrt versperrt war, stieg er aus und wollte den Fahrer bitten wegzufahren. Dabei traf er nur die Tochter des Fahrers an, die nicht weiterhelfen konnte. Da die Fahrertür nicht verschlossen war, stieg er in das Fahrzeug, stellte das Automatikgetriebe von P auf N und schob das Fahrzeug samt Anhänger nach vorne und so zur Seite der Einfahrt. Dort zog er dann die Handbremse an. Der Zündschlüssel des Fahrzeugs steckte zu dieser Zeit nicht im Schloss.
Kurz darauf kam der Fahrer wieder zurück zu seinem Fahrzeug, als der Anwohner gerade in den Hof gefahren war. Bei der späteren Weiterfahrt bemerkte der Fahrer, dass das bis dahin intakte Getriebe durch das Schalten bei abgezogenem Zündschlüssel beschädigt worden sei. Für Reparatur und Mietwagen habe er 1.332,94 Euro bezahlen müssen. Er klagte vor dem Amtsgericht München.
Die Entscheidung
Die Klage auf Schadensersatz blieb vor dem Amtsgericht München (Urteil, Az. 132 C 2617/18) ohne Erfolg. Als Anspruchsgrund käme nur eine Schadensersatzpflicht aus deliktischen Anspruchsgrundlagen in Betracht. Diese setzen aber ein Verschulden voraus, also die Vorwerfbarkeit und damit die Widerrechtlichkeit des als schadensbegründend geltend gemachten Verhaltens, so der Richter. Schon hieran fehle es. Das Verhalten des Beklagten war durch besitzrechtliche Selbsthilfe gedeckt und deswegen nicht widerrechtlich.
Aus der Begründung
Der Kläger störte den Beklagten durch die Verhinderung der Zufahrt in dessen Besitzrecht an seiner Garage und war deswegen zur Beendigung der Störung verpflichtet. Diese Beseitigung durfte der Beklagte selbst vornehmen, und zwar mit Gewalt, § 865 BGB. Zwar unterliegt auch das Selbsthilferecht Schranken des Übermaßverbotes, so dass bei geringfügigen Störungen nicht uneingeschränkt "Gewalt" angewendet werden darf.
Dass das Verstellen des Schalthebels eines Automatikgetriebes, ohne dass der Zündschlüssel steckt, zu einer Beschädigung des Getriebes führt, ist (bei Wahrunterstellung dieser bestrittenen Behauptung) jedenfalls nicht so offensichtlich, dass sich dies jedermann aufdrängt. Das Verhalten des Beklagten wäre nur fahrlässig.
Aufgrund der berechtigten Reaktion auf eine Besitzstörung verliert aber das Verhalten in diesem Umfang seine Vorwerfbarkeit. Der Beklagte durfte das fremde Auto öffnen, den Schalthebel auf Fahrt umschalten und das Auto wegschieben, da nicht für jeden offensichtlich war, dass das Auto dadurch beschädigt werden würde.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite musste der Beklagte auch nicht abwarten. Nur wenn ersichtlich ist, dass die Störung sofort behoben wird, also der gestörte Besitzer mit der Beseitigung der Störung nicht schneller sein würde als der Störer, wäre ein "Abwarten" zu fordern.
Unstrittig ist, dass für den Beklagten nicht zu ersehen war, wann der Kläger zum Auto zurückkommen würde. Auch etwa eine sofortige Erreichbarkeit über eine Handynummer war nicht auf einem Zettel hinter der Windschutzscheibe sichtbar vermerkt.
Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 13.06.2018 - 132 C 2617/18
AG München, PM 05/2019
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