Bei einem Fahrer-Assistenzsystem kann beim heutigen Stand der Technik nicht erwartet werden, dass dies wie ein menschlicher Fahrer auf alle Besonderheiten vorausschauend reagiert. Solange das System nicht selbständig verkehrsordnungswidrige Fahrmanöver durchführt, liegt regelmäßig kein Mangel vor.
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall, über den die D.A.S. Rechtsschutz der ERGO berichtet, hatte der Kläger einen Neuwagen mit abschaltbarem Fahrassistenz-Paket gekauft. Das System enthielt unter anderem einen Geschwindigkeitslimit-Piloten und einen Bremsassistenten. Es sollte mithilfe einer Frontscheibenkamera Verkehrsschilder erkennen und in Verbindung mit den Kartendaten des Navigationssystems die Geschwindigkeit vorschriftsmäßig regeln.
Aus Sicht des Käufers arbeitete das System nicht korrekt. Er kritisierte nicht nachvollziehbares Bremsen und Beschleunigen. Einmal habe das Fahrzeug auf einer Autobahn-Umleitung über ein Raststättengelände das Tempo auf 30 km/h reduziert, obwohl 80 km/h erlaubt waren.
In einem Kreisverkehr habe das Auto erst auf 50 km/h beschleunigt, dann sofort wieder auf 20 km/h abgebremst. Weiterhin bemängelte der Kläger, dass das Auto die erlaubte Höchstgeschwindigkeit zum Teil nicht ausnutze. Er verlangte eine Kaufpreisminderung.
Die Entscheidung
Das Amtsgericht Dortmund (Urteil, Az. 425 C 9453/17) wies die Klage ab. Nach § 1b Abs. 2 Ziff. 2 StVG müsse der Fahrer die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder übernehmen, wenn er erkenne, dass das Assistenzsystem überfordert sei. Bei hochtechnischen Systemen sei immer mit einer gewissen Fehleranfälligkeit zu rechnen (Stadinger/Oechsler (2018) § 2 ProdhaftG Rn. 126).
Stand der Technik
Im Hinblick auf die Beurteilung der Funktionstauglichkeit von technischen Systemen sei der Stand der Technik maßgeblich. Mit "Stand der Technik" sei bei einem Neuwagenkauf der neueste Stand gemeint. Wobei es sich beim Stand der Technik um einen relativen Begriff handelt, da der Stand der jeweiligen Fahrzeugklasse gemeint sei (Reinking/Eggert, Rn.435).
Basissicherheit muss gewährleistet sein
Es müsse lediglich eine Basissicherheit gewährleistet sein. Dies sei hier der Fall gewesen, da das Auto nie aufgrund der Assistenzsysteme die Verkehrsregeln verletzt habe oder schneller gefahren sei als erlaubt. Da die Navigationssoftware – schon wegen der Datenmenge – nie vollständig und aktuell sein könne, dürfe der Fahrer nicht damit rechnen, dass das System in besonderen Situationen, wie an einer Baustelle, immer die korrekte Geschwindigkeit einstelle.
Auch im Kreisverkehr könne der Kunde kein vorausschauendes Fahren erwarten. Dass das Auto die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht voll ausnutze, sei kein Mangel, da dies keine Mindestgeschwindigkeit sei. Alles in allem sei zu berücksichtigen, dass sich das System noch in der Entwicklung befinde und dass es sich nur um einen Assistenten, nicht aber um autonomes Fahren handle.
Rechtsgrundlagen:
BGB § 433
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 440
BGB § 441
BGB § 474
StVG § 1b
Gericht:
Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 07.08.2018 - 425 C 9453/17
Quelle: D.A.S. Rechtsschutz der ERGO
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