Der Tank ist leer, der Autoreifen geplatzt oder aus der Motorhaube steigt Rauch auf. Gründe für eine Panne gibt es viele. Doch was soll man in einer solchen Situation tun? Anstatt Fachleute zu rufen, bitten viele Betroffene ihre Freunde bzw. Verwandten um Hilfe, die im Zweifel aber noch nie einen Wagen abgeschleppt haben. Kommt es dann aufgrund eines Fehlverhaltens des Abschleppenden zu einem Unfall, stellt sich die Frage, ob die Kaskoversicherung den Schaden regulieren muss.
"Auffahrunfall" mit Pannenfahrzeug
Ein Autofahrer blieb eines Abends mit seinem Ferrari liegen. Er rief daraufhin seinen 18½-jährigen Sohn an, der kurze Zeit später mit einem Audi S4 auftauchte und den Sportwagen mit einem Seil abschleppte. Währenddessen bremste der Fahranfänger aber zweimal so stark ab, dass der Pannenwagen auf den Audi auffuhr und dabei einen Totalschaden erlitt.
Der Ferrari-Fahrer wandte sich in der Folgezeit an seine Vollkaskoversicherung - die müsse schließlich seinen Schaden regulieren. Sein Sohn habe nur deshalb so stark abbremsen müssen, weil ein entgegenkommender Motorradfahrer plötzlich auf ihre Fahrbahn geraten sei. Diesen Sachverhalt bestritt der Versicherer jedoch. Er war der Ansicht, dass allein ein Fahrfehler des Sohnes beim Abschleppvorgang zum Unfall geführt habe. Bereits aus diesem Grund sei der Versicherer nicht einstandspflichtig. Der Ferrari-Fahrer wollte die Entscheidung nicht akzeptieren und zog vor Gericht.
Versicherung ist nicht einstandspflichtig
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) München war die Vollkasko nicht zur Leistung verpflichtet.
Grund dafür war eine Klausel in den Versicherungsbedingungen. Die schloss eine Leistungspflicht des Versicherers nämlich aus, wenn während eines Abschleppvorgangs ein Schaden verursacht wird, zu dem es allein aufgrund eines Fehlverhaltens einer beim Abschleppvorgang beteiligten Person gekommen ist.
Wer muss was beweisen?
Der Versicherer muss zunächst darlegen, dass eine am Abschleppvorgang beteiligte Person - und kein Dritter - den Zusammenstoß verschuldet hat. Dagegen hat der Versicherungsnehmer nachzuweisen, dass die Kollision durch einen Fremden herbeigeführt wurde, um eine Einstandspflicht des Versicherers zu erreichen.
Vorliegend hat der Pannenfahrzeugführer lediglich behauptet, dass sein Sohn so stark abgebremst hat, weil ihm ein Motorradfahrer entgegenkommen sei. Beweisen konnte er dies aber nicht. Auch konnten die Richter mangels weiterer Umstände - wie z. B. Lackspuren, Bremsspuren oder sonstige Zeichen einer Fremdbeteiligung - nicht erkennen, dass die Zusammenstöße durch einen Dritten verursacht wurde.
Abschleppvorgang - nichts für Fahranfänger?
Die Richter waren vielmehr davon überzeugt, dass der 18-jährige Sohn des Ferrari-Fahrers aufgrund seiner Unerfahrenheit einen Fahrfehler begangen und damit die Kollisionen verursacht hat.
Ein Abschleppvorgang ist an sich ein sehr komplizierter Vorgang, der ständiger Aufmerksamkeit bedarf. Das gilt erst recht, wenn dabei ein Abschleppseil statt einer Abschleppstange und ein stark motorisiertes Fahrzeug verwendet wird. Hier muss z. B. vorsichtig Gas gegeben werden, um ein Abreißen des Seils zu verhindern. Auch hat der Abschleppende regelmäßig die Geschwindigkeit zu kontrollieren sowie darauf zu achten, dass das Seil straff gespannt bleibt. Werden hier Fehler gemacht - wird also z. B. wie vorliegend zu stark abgebremst -, ist von einem unsachgemäßen Abschleppvorgang auszugehen.
Wie bereits erläutert, hielten die Richter eine Fremdbeteiligung an den beiden Zusammenstößen für unrealistisch. Denn selbst wenn an der ersten Kollision ein Dritter beteiligt gewesen sein sollte, hätte es keinen Grund gegeben, kurz darauf erneut stark abzubremsen. Dass der junge Autofahrer kurz hintereinander zweimal stark auf die Bremse getreten ist, zeigte vielmehr seine Unerfahrenheit beim Abschleppen eines Kfz. Mangels Fremdbeteiligung an der Schadensverursachung war die Versicherung von jeglicher Leistungspflicht befreit.
Gericht:
Oberlandesgericht München, Urteil vom 24.03.2017 - 10 U 3749/16
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