Der Sachverhalt
Der 11-jährige Beklagte befuhr den Gehweg mit seinem Fahrrad entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung. Beim Überqueren einer Straße stieß er mit der von links kommenden Klägerin aus Werne. Die Klägerin zog sich bei dem Zusammenstoß schwere Verletzungen im Bereich ihres rechten Kniegelenks und eine rechte Sprunggelenkfraktur zu.
Sie musste mehrfach operiert werden und leidet noch heute unter den Folgen der Knieverletzung, die letztendlich zu einer operativen Versteifung des rechten Knies führen wird. Das Landgericht ist von einer alleinigen Haftung des elfjährigen Radfahrers für den Verkehrsunfall ausgegangen.
Es hat der Klägerin - nach vom Haftpflichtversicherer des Beklagten vorprozessual gezahlten 14.000 Euro - weitere 11.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von ca. 1.900 Euro Erwerbsschaden und - nach insoweit vorprozessual gezahlten 2.000 Euro - weitere ca. 23.000 Euro Haushaltsführungsschaden. Für den künftigen Haushaltsführungsschaden hat es der Klägerin eine vierteljährlich zu zahlenden Rente von ca. 820 Euro zuerkannt.
Die mit der Berufung vom Beklagten erstrebte vollständige Klageabweisung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
Die Entscheidung
Der Beklagte hafte dem Grunde nach allein für den Unfall, so der Senat. Er habe den Gehweg der im Grundsatz vorfahrtsberechtigten Straße verkehrswidrig entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung benutzt. Aufgrund seines Alters sei er nicht mehr berechtigt gewesen, auf dem Gehweg Fahrrad zu fahren (§ 2 Abs. 5 S. 1 StVO). Deswegen habe ihm gegenüber der Klägerin kein Vorfahrtsrecht zugestanden.
Abgesehen davon habe er beim Queren der Straße auf den fließenden Fahrzeugverkehr dieser Straße achten und nicht dazu mit seinem Fahrrad in der "falschen" Fahrtrichtung weiterfahren dürfen. Seine Fahrweise sei hochgefährlich gewesen.
Der im Unfallzeitpunkt elfjährige Beklagte sei für sein Fehlverhalten verantwortlich. Seinem Sachvortrag sei nicht zu entnehmen, dass er im Zeitpunkt des Unfalls nicht die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht gehabt habe (§ 828 Abs. 3 BGB). Nur wenn er das nachweisen könne, entfalle seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit.
Der Klägerin sei demgegenüber kein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls nachzuweisen, für den der Beklagte damit allein einzustehen habe. Das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld sowie die zugesprochenen materiellen Schadensbeträge seien gerechtfertigt, mit Ausnahme eines Betrages von 450 Euro beim Haushaltsführungsschaden, um den die Klägerin ihre Klage aber im Nachhinein auch reduziert habe.
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 16.09.2016 - 9 U 238/15
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