Verstößt ein Fahrradfahrer nach Urteil des AG München (Az. 345 C 23506/12) gegen gravierende Sorgfaltspflichten, so kann dieses Verhalten so schwer wiegen, dass ihn bei einem Unfall die alleinige Haftung trifft und die Betriebsgefahr des Autofahrers vollständig dahinter zurücktritt.

Der Sachverhalt

Eine Fahrradfahrerin fuhr zunächst auf der linken Seite der Straße auf dem dafür vorgesehenen Radweg. An einer Kreuzung wollte sie links in eine andere Straße einbiegen. Sie umging jedoch die in der Kreuzung befindliche Verkehrsinsel, die sie eigentlich hätte umrunden müssen. Dabei befuhr sie die Gegenfahrbahn um nach einem kurzen Stück auf der richtigen Fahrbahn weiterzufahren.

Bevor sie die Absicht ausführen konnte, kam ihr jedoch ein Autofahrer entgegen. Dieser erfasste die Radfahrerin. Sie erlitt zahlreiche Prellungen am Rücken und großflächige Hämatome. Deshalb verlangte sie von dem Autofahrer 1500 Euro Schmerzensgeld und die Zusage, dass er zumindest 50 Prozent der möglicherweise künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen habe. Dieser weigerte sich zu zahlen. Er könne nichts für den Unfall. Schließlich sei die Radfahrerin auf der falschen Straßenseite gefahren. Die Radfahrerin erhob Klage.

Die Entscheidung

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Verschulden der Radfahrerin sei so überwiegend, dass eine Haftung des Autofahrers alleine aus der Tatsache, dass er sein Auto bewege, also auf Grund der Betriebsgefahr des Autos, entfalle. Verstoße eine Radfahrerin gegen gravierende Sorgfaltspflichten, könne dieses Verhalten so schwer wiegen, dass sie die alleinige Haftung treffe und die Betriebsgefahr vollständig zurücktrete.

Hier sei die Radfahrerin nach links in eine Fahrbahn eingebogen, welche ausschließlich dem Gegenverkehr vorbehalten sei. Sie hätte die Absicht gehabt, diese ein kurzes Stück zu befahren und erst dann auf „ihre“ Seite zu wechseln. Der Autofahrer dagegen hätte nicht mit Gegenverkehr rechnen müssen. In der Kreuzung habe sich eine Verkehrsinsel befunden und die Verkehrsteilnehmer hätten darauf vertrauen dürfen, dass andere Verkehrsteilnehmer diese Insel vorschriftsmäßig umfahren und dann auf der richtigen Seite in die Straße einfahren würden.

Erschwerend komme noch dazu, dass die Sicht des Autofahrers nach rechts durch einen Bauzaun erheblich eingeschränkt war und auch die Radfahrerin durch diesen keine freie Sicht in die Straße hatte. Sie sei quasi „blind“ abgebogen.

Exkurs: Haftung wegen Betriebsgefahr

Diese Haftung ist in § 7 Absatz 1 StVG geregelt und beruht auf dem System der Gefährdungshaftung. Daher haftet der Halter eines KFZ unabhängig von einem Verschulden, für alle Schäden, die durch sein KFZ entstehen.

§ 7 Straßenverkehrsgesetz:

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Diese Haftung kann jedoch durch das Verhalten des Unfallgegners eingeschränkt oder wie vorliegend sogar ganz aufgehoben sein.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 12.12.2012 - 345 C 23506/12

AG München, PM Nr. 50/2013
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