Autofahrerin missachtet Vorfahrt und haftet trotzdem nicht voll
Nach einer Mitteilung der Deutschen Anwaltshotline, hatte eine Autofahrerin einem Motorradfahrer die Vorfahrt genommen. Das bei der Kollision erheblich beschädigte Krad kam zwar von links, fuhr aber auf einer vorfahrtberechtigten Hauptstraße. Beide Unfallbeteiligten sind ortskundig und wussten um die schlechten Sichtverhältnisse an dieser Straßeneinmündung.
Kollision wäre durch maßvolles Bremsen des vorfahrtberechtigten Motorrads zu vermeiden gewesen
Der Kradfahrer hatte kurz zuvor am Ortsschild die Geschwindigkeit von vorher 60 km/h reduziert, war aber, als die Pkw-Fahrerin einbog, noch mindestens 29 m entfernt. Hätte er - so die Feststellung des vom Gericht bestellten Gutachters - mit einer Bremsverzögerung von 6 m/s² gebremst, wäre er ohne Sturzgefahr nach 27 m zum Anhalten gekommen, wodurch der Zusammenstoß offenbar vermieden worden wäre.
Vertrauensgrundsatz des Vorfahrtsberechtigten
Zwar gilt im Straßenverkehr der sogenannte Vertrauensgrundsatz, nach dem sich ein vorfahrtsberechtigter Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf verlassen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtsrecht beachten. "Allerdings hätte der Kradfahrer in diesem Fall, wo er den Pkw aus der untergeordneten Straße herausfahren sah, adäquat reagieren und vorsorglich bremsen müssen - obwohl oder gerade weil er nicht wusste, ob das Auto, wenn die Fahrerin ihn wahrnimmt, weiterfährt oder stehen bleibt", erklärt Rechtsanwalt Jörg-Matthias Bauer.
Weil also die Kollision durch maßvolles Bremsen des vorfahrtberechtigten Fahrzeugs hätten vermieden werden können, hielten die Münchener Richter eine Haftungsverteilung von 70:30 zu Lasten der ihre Wartepflicht verletzenden Pkw-Fahrerin für angemessen, die damit immerhin noch 5.216,14 Euro plus Zinsen an den Motorradfahrer zu zahlen hat.
Themenindex:
Vorfahrtsverletzung, Verkehrsunfall, Mithaftung, Haftungsquote
Gericht:
Oberlandesgericht München, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 2595/12
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