Ein Beitrag der Anwaltskanzlei Stephens und Perperidis
Problematisch - und zwar gerade für den ganz normalen Konsumenten von normalen Internetpornos - ist es vor allem dann, wenn er ausversehen auf jugend- bzw kinderpornografisches Material im Internet stößt! Denn selbst bei weltweit üblichen Suchbegriffen wie "Teen", "Youngster" oder "Girlie" kommt es immer mal wieder vor, dass die hierauf dargestellten Bilder die Grenze zur Kinder- bzw. Jugendpornografie überschreiten und sich dann vor allem die zwei folgenden Fragen stellen:
- Ist das bloße gewollte aber auch unbeabsichtigte Betrachten bzw. Angucken von Jugend- bzw. Kinderpornografie am Computerbildschirm schon strafbar?
- Was passiert, wenn (z.B. wegen Verlinkung oder falschem Suchergebnis) Kinderpornografie oder Jugendpornografie automatisch im Cache-Speicher des Internetbrowsers oder im Arbeitsspeicher des Computers gespeichert wird?
Diese und ähnliche Fragen sind von immenser Bedeutung, gilt es doch zu wissen, dass der Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften eine Straftat ist, die in Deutschland mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird, von den zahlreichen weiteren Konsequenzen - wie Durchsuchungen der Wohnung und des Arbeitsplatzes, polizeiliche Vernehmung von Freunden und Angehörigen, die öffentliche Diskriminierung und einem etwaigen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis - ganz abgesehen.
Zur Beantwortung was nun alles in Bezug auf Jugend- bzw. Kinderpornografie im Zusammenhang mit dem Internet strafbar ist, muss man zunächst wissen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des bloßen Konsums von Kinder- bzw. Jugendpornographie zwei Dinge unter Strafe stellt:
Zum einen den Erwerb kinder- bzw. jugendpornografischer Schriften (sog. Sich-Verschaffen) und zum anderen den bloßen Besitz solcher Schriften (Unter Schriften meint der Gesetzgeber natürlich auch Daten, Bilder, Videos, etc...)
a) Sich-Verschaffen = Erwerb von Kinderpornografie:
Sich-Verschaffen ist jeder mit dem Besitz verbundene Erwerb von kinderpornografischen Schriften. Um sich strafbar zu machen, muss der Täter die tatsächliche Verfügungsmacht über die kinderpornografische Schrift haben. Im elektronischen Zeitalter spricht man hierbei von Datenherrschaft, also der Macht jederzeit solcherlei Daten abzurufen, wiederherzustellen oder löschen zu können.
Beispiel:
Strafbar ist der Erwerb von Kinderpornografie, sobald sich die entsprechende Schrift im Herrschaftsbereich einer Person befindet, also es im Belieben des Besitzers steht, zu beliebigen Zeitpunkten und so oft wie erwünscht die Abbildung oder andere Darstellung zu benutzen, aufzurufen oder zu löschen.
b) Besitz
Der Besitz von Kinderpornografie ist im Verhältnis zu dem o.g. Erwerb (Sich-Verschaffen gem. § 184 Abs. 4 S. 1) ein sog. Auffangtatbestand. Er hat also nur dann eigenständige Bedeutung, wenn es mangels aktiver Handlung des Täters am zielgerichteten Verschaffen von Kinderpornografie fehlt, etwa beim automatischen Abspeichern in den Browser Cache (siehe unten), oder wenn jemand unwissentlich oder ungewollt Verfügungsgewalt über eine kinderpornographische Darstellung erlangt und sich ihrer nicht umgehend entledigt.
Beispiel:
a) Strafbar (nicht als Verschaffen aber als Besitz von Kinderpornographie) ist das bloße Ankucken und Anklicken von kinderpornographischen Bildern, ohne Sie bewusst auf ein Speichermedium downzuloaden weil sie regelmäßig in den Cache-Speicher (Verlauf) des Browsers automatisch vom Computer gespeichert werden. (Unter Umständen aber dann nicht strafbar wenn man dies nicht weiß, da dann kein Vorsatz dazu unten mehr)!
b) Strafbar ist auch wenn man sich zwar aktiv keine Kinderpornographie verschafft hat, aber merkt dass man kinderpornografische Schriften dennoch besitzt und sie nicht unverzüglich löscht oder es den Behörden meldet (sog. Unterlassungsdelikt)
Der Besitz ist aber nur strafbar solange man willentlich besitzt, man also um die kinderpornografische Schrift auch sicher weiß (dazu unten beim Vorsatz)! Das bloße Verwahren einer möglicherweise vorhandenen, aber unbenutzt bleibenden Schrift ist nicht strafbar.
Beispiel:
a) Nicht strafbar ist es wenn man gar nicht weiß dass man kinderpornografische Schriften auf seinem PC gespeichert hat.
b) Nicht strafbar ist es, wenn es jemand nur für möglich hält und in Kauf nimmt, dass in einer umfangreichen Sammlung auch kinderpornographische Abbildungen enthalten sind.
Soviel zur Theorie des Gesetzgebers. In der Praxis des Internets sieht das Ganze dann nicht mehr so einfach aus, vor allem dann nicht, wenn man schon gar nicht gezielt nach Kinder- oder Jugendpornografie gesucht hat, sondern vielmehr versehentlich auf solche Seiten stößt z.B. weil man nach "Teens" oder "Girlies" gesucht hat, wohl wissend, dass diese in der Pornoindustrie natürlich über 18 Jahre als und das Betrachten solcher Pornos natürlich auch nicht strafbar ist.
Die Frage ist also,
wann liegt ein Erwerb = Sich-Verschaffen bzw. Besitz von jugend- bzw. kinderpornografischen Schriften im Rahmen des Internets vor?
Im Internetverkehr ist dies zweifelsfrei der Fall, wenn die kinderpornografischen Bilddateien oder Videos auf eigenen Datenträgern gespeichert werden z.B. auf die Festplatte, USB-Sticks, CDs oder anderen Speichermedien. Vorausgesetzt wird aber eine auf Besitzbegründung zielgerichtete - also willentliche Handlung. Hieran fehlt es, wenn Bilder zB durch Verlinkung mit anderen Webseiten heruntergeladen wurden, ohne dass der Nutzer davon Notiz nahm. Aber auch Zufallsfunde z.B. nach unvorsichtigem Anklicken von Links ist nicht strafbar, weil es dann an einer willentlichen Handlung des Konsumenten fehlt.
Beispiel:
a) Strafbar ist das bewusste herunterladen von Kinderpornografie auf die Festplatte oder ein anderes Speichermedium
b) Nicht strafbar ist das unbewusste Herunterladen von kinderpornographischen Dateien, weil sie z.B. mit nicht strafbaren Pornobildern verlinkt waren.
Ist das bloße Angucken (bewusst oder versehentlich) von Jugend- bzw. Kinderpornografie im Internet strafbar?
Das bloße Angucken von Jugend- bzw. Kinderpornografie im Internet ist grundsätzlich NICHT STRAFBAR, solange hierin kein Erwerb oder Besitz begründet wird. (siehe oben). Zwar gibt es in der Rechtsprechung mittlerweile sogar Ansätze die bereits dann den Besitz von Kinderpornos annehmen, wenn eine kinderpornographische Darstellung auf dem Bildschirm des Nutzers erscheint - also noch nicht einmal in den Cache- oder Arbeitsspeicher gelangt ist, geschweige denn bewusst auf der Festplatte o.Ä gespeichert wurde! Die dies bejahende Ansicht stellt darauf ab, dass der Betrachter sich für Vergrößern, Speichern oder Ausdrucken entscheiden könnte. Dies überzeugt jedoch nicht. Das Vergrößern genügt nicht, wenn die Abbildung spätestens beim Ausschalten des Rechners wieder verschwindet da dann auch keine Verfügungsgewalt mehr über die Bilder und damit kein Besitz besteht.
Beispiel:
Nicht strafbar ist das bloße Betrachten von Bildern auf dem PC wenn sie nirgends also auch nicht in den Cache gespeichert werden, weil der Betrachter dann auch keinen Besitz begründet!
Nicht strafbar ist es daher erst recht nach kinderpornografischen Seiten zu suchen, man aber nichts findet.
Achtung! Aufgrund technischer Probleme gescheiterte Downloads per Internet können aber als strafbarer Versuch erfasst werden.
Aber: Problem der Speicherung von Jugend- bzw. Kinderpornografie im Cache-Speicher!
Juristisch äußerst problematisch ist aber die Tatsache, dass im Regelfall sämtliche aufgerufenen Internetseiten im sog. Browser-Cache gespeichert werden sodass die Inhalte somit reaktiviert werden könnten. Denn wie oben gesehen, ist ein Erwerb und Besitz von Jugend- bzw. Kinderpornografie dann gegeben, wenn der Betrachter aufgrund der Speicherung der Daten Verfügungsgewalt über die Daten hat.
Um sich aber deswegen strafbar zu machen muss man sich die Kinderpornografie vor allem zielgerichtet verschafft haben. Man muss es also gewollt haben, die kinderpornografischen Schriften zu erwerben, wobei es aber auch genügt, dass man einen etwaigen Erwerb solcher Schriften billigend in Kauf genommen hat.
Das bedeutet letztlich, dass selbst bei vorsätzlichen Betrachten von Kinderpornografie im Internet (gleiches gilt natürlich erst recht für das versehentliche Betrachten) NICHT strafbar ist, solange man nicht weiss oder es für möglich hält, dass die angesehenen kinder- bzw. jugendpornografischen Schriften automatisch im Cache-Speicher gespeichert werden. Allerdings sind bei denjenigen, die ausdauernd und systematisch Kinderpornographie sammeln, technische Kenntnisse zu vermuten, die auch Browser-Cache-Funktionen einschließen. Indizien für das Wissen um die abgespeicherten Inhalte sind die Zahl der kinderpornographischen Abbildungen (ggf. in Relation zu vorhandener einfacher Pornographie), die Bezeichnungen von Bilddateien sowie anschließendes Aufrufen, Verschieben, Umbenennen oder Kopieren. Werden nur wenige Bilder gefunden und eine nur kurze Verbindungsdauer festgestellt, ist es möglich, dass Nutzer das Herunterladen nicht bemerkt haben.
Beispiel:
Strafbar ist es, wenn man Kinderpornos anguckt und weiss bzw. es für möglich hält, dass diese automatisch im Cache-Speicher des Browsers gespeichert werden.
Nicht strafbar ist es wenn sich der Nutzer dieser automatischen Speicherung nicht bewusst ist, also vor allem dann wenn Miniaturansichten (sog. Thumbnails) gespeichert werden (was gängige Einstellungen von Internetbrowsern als automatischen Vorgang vorsehen).
Werden kinderpornografische Dateien aber versehentlich aufgerufen und unerwünscht im Cache gespeichert, so muss sich der Nutzer dieser - soweit technisch möglich - grds. durch endgültige Löschung entledigen, wenn er sich der Speicherung bewusst ist.
Weiteres Problem: Speicherung von Jugend- bzw. Kinderpornographie in den Arbeitsspeicher
Ums kurz zu machen: Die zeitweise Speicherung der Daten im Arbeitsspeicher (anders beim sog. Cache-Speicher da hier dauerhaft auf die Festplatte gespeichert wird - siehe unten) des Rechners ist ebenfalls nicht ausreichend, da diese beim Ausschalten des Geräts endgültig verloren gehen, falls sie nicht zuvor auf der Festplatte gespeichert werden
Zusammenfassend gilt also:
Um sich des Erwerbs oder Besitzes kinderpornografischer oder jugendponographischer Schriften strafbar zu machen, muss man diese nicht nur zielgerichtet besitzen, also die Verfügungsgewalt hierüber haben, sodass man sie von seinem eigenen Rechner aus nach Belieben aufrufen, wiederherstellen und betrachten kann, sondern man muss auch um diese Verfügungsgewalt wissen! Weiss man also gar nicht, dass sich solcherlei Schriften auf dem Rechner befinden und hält man es auch nicht für möglich nachdem man sich solcherlei Schriften im Internet angeguckt hat, ist das bloße Surfen auf kinder- bzw. jugendpornografischen Seiten nicht strafbar, selbst dann nicht wenn solcherlei Bilder bzw. Videos im Cache- oder Arbeitsspeicher gefunden werden!
Autor: Alexander Stephens, RechtsanwaltRechtsanwälte
Stephens & Perperidis
Nymphenburger Höfe
Nymphenburgerstr. 6f
80335 München
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