Wenn jemand mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht wird, hat dieser Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Was ist aber, wenn man mit einer täuschend echt aussehenden Schreckschusspistole bedroht wird?

Nach Urteil des Bundessozialgerichts ist Drohung mit einer Schreckschusspistole allein noch kein rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes, auch wenn das Opfer die Waffe für echt hält.

Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine Bankangestellte, wurde bei einem Banküberfall von dem Täter mit einer ungeladenen Schreckschusspistole bedroht. Wie andere Zeugen des Überfalls ging auch sie davon aus, dass es sich um eine echte Schusswaffe handele. Das beklagte Land lehnte ihren Antrag auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz ab, weil kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff vorgelegen habe.

Das Urteil des Bundessozialgerichts (B 9 V 1/13)

Das Ereignis in der Bankfiliale war keine solche Gewalttat, kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes. Anspruch auf Versorgung hat demnach, wer durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff an der Gesundheit geschädigt ist.

Die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht für einen tätlichen Angriff dagegen nicht aus, auch wenn diese Drohung beim Opfer erhebliche gesundheitliche Folgen haben sollte. Ebenso wenig ist entscheidend, ob sich eine bestimmte Situation im Nachhinein als tatsächlich objektiv (lebens-)gefährlich erweist, weil die Waffe scharf, geladen und entsichert war, oder als objektiv betrachtet ungefährlich, weil es sich um eine harmlose Schreckschusswaffe handelte. Denn die Drohwirkung mit der vorgehaltenen Waffe auf das Opfer und dessen psychische Belastung in der konkreten Situation unterscheiden sich insoweit regelmäßig nicht. Maßgeblich ist die Tätlichkeit des Angriffs, die physische Wirkung, die vom Täter ausgeht, nicht die psychische Wirkung, die beim Opfer ankommt.

Bereits nach dem Gesetzentwurf von 1974 zum Opferentschädigungsgesetz war der bestimmende Grundgedanke für die Schaffung des Opferentschädigungsgesetzes der Umstand, dass Gewaltopfern ein Aufopferungsanspruch zustehen sollte. Diese ‑ auf Gewalt abzielende ‑ inhaltliche Ausrichtung hat das Opferentschädigungsgesetz trotz einiger Erweiterungen beibehalten. Insofern ist es nicht Sache der Rechtsprechung, den Begriff des tätlichen Angriffs über den vom Gesetzgeber mit Bedacht gewählten engen Wortsinn des Opferentschädigungsgesetzes auf Straftaten zu erstrecken, bei denen es an einem solchen tätlichen Angriff fehlt, weil das strafbare Verhalten z.B. in Drohung mit Gewalt, Erpressung oder einer Täuschung besteht.

Gericht:
Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13

BSG, PM
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