Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt, steht auch beim Geldabheben am Bankautomat unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat durch Urteil das Bayer. LSG entschieden. Mit dem abgehobenen Geld vom Konto des Pflegebedürftigen sollte für dessen Versorgung eingekauft werden.

Der Sachverhalt

Die Klägerin pflegte ihre Schwiegermutter zu Hause. Beim Einkauf für die Schwiegermutter stürzte die Klägerin auf dem Weg vom Auto zum Geldautomat auf winterlicher Straße. Die Klägerin machte daraufhin Verletzungen an Hals- und Lendenwirbelsäule sowie an der Hand geltend.

Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung verneinte einen Arbeitsunfall. Die dagegen angestrengte Klage hatte zunächst keinen Erfolg. Erst vor dem Bayer. Landessozialgericht bekam die Klägerin recht: Das Gericht stellte einen Arbeitsunfall fest.

Die Entscheidung

Aus dem Urteil: [...] Der Gang der Klägerin am 09.12.2010 zum Bankautomaten, um dort Geld vom Konto ihrer Schwiegermutter für unmittelbar anschließend zu erledigende Einkäufe abzuheben, stellte eine gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII versicherte Tätigkeit dar. Nach dieser Vorschrift umfasst die versicherte Tätigkeit Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 SGB XI). Durch den ausdrücklichen Verweis auf § 14 Abs. 4 SGB XI wird klargestellt, dass die hauswirtschaftliche Versorgung insbesondere auch das Einkaufen umfasst, das in § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI als eine mögliche Verrichtung im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung aufgezählt wird. Ob und unter welchen Voraussetzungen das Abheben von Geld bei der Bank als Vorbereitungshandlung zum Einkaufen vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII umfasst ist, ist höchstrichterlich noch nicht ausreichend entschieden. Allerdings unterfallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Vorbereitungshandlungen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder ermöglichen, auch dann unter den Versicherungsschutz, wenn sie einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der eigentlich versicherten Tätigkeit oder einer kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung aufweisen, so dass beide nach natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden (vgl. hierzu u. a. BSG vom 28.04.2004 - B 2 U 26/03 R - Juris RdNr. 16 f.). Der Senat ist der Auffassung, dass das Abheben von Bargeld am Geldautomaten oder Bankschalter jedenfalls dann gemäß § 2 Abs 1 Nr. 17 SGB VII versichert ist, wenn

  1. die Abhebung von einem Konto des Pflegebedürftigen erfolgt und das abgehobene Bargeld getrennt von den eigenen Geldbeständen der Pflegeperson aufbewahrt wird,
  2. das Bargeld für Einkäufe der hauswirtschaftlichen Versorgung der Pflegebedürftigen vorgesehen ist, die im unmittelbaren Anschluss an das Abheben erfolgen sollen, und
  3. mit dem Geldabheben eine nur unerhebliche Abweichung vom ohnehin versicherten Weg zum Einkaufen verbunden ist.

[...]

Rechtsgrundlagen:
§ 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7,
§ 14 Abs 4 Nr 4 SGB 11

Gericht:
Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.03.2013 - L 2 U 516/11

Bayer. LSG
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