Vor dem Kammergericht wurde darüber verhandelt, ob Eltern als Erben ihres verstorbenen Kindes Zugriff auf dessen Facebook-Konto erhalten dürfen. Hierbei wurden verschiedene rechtliche Fragen erörtert, die - soweit bekannt - in der Rechtsprechung bisher noch nicht entschieden wurden.

Das Kammergericht ließ in dem Berufungsverfahren noch offen, ob das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 aufrechterhalten werde. Das Landgericht hatte das beklagte Unternehmen Facebook Ireland Ltd. verpflichtet, der klagenden Mutter und dem Vater einer minderjährig Verstorbenen als deren Erben den Zugang zu einem Facebook-Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren.

Das Kammergericht hat zwei Problemfelder erörtert, die nachfolgend dargestellt werden. Auch wurde den Parteien angeregt, aufgrund der Besonderheiten des Falles über eine vergleichsweise Einigung nachzudenken. In Betracht komme, die Daten geschwärzt den Eltern zur Verfügung zu stellen. Zwischen den Parteien bestand allerdings keine Einigkeit, in welchem Umfang eine Schwärzung erfolgen müsse. Das Gericht hat den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 9. Mai 2017 mitzuteilen, ob ein Vergleich möglich oder sogar geschlossen worden ist. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, wird das Gericht am 30. Mai 2017 eine Entscheidung verkünden.

Erstes rechtliches Problemfeld

Zum einen stelle sich die Frage, ob der Facebook-Account vererblich sei. Wenn man dies grundsätzlich verneine, sei zu klären, ob aufgrund der Besonderheiten des Falles, nämlich dem Tod eines minderjährigen Kindes, eine Ausnahme zu machen sei.

Der Senat wies darauf hin, dass ein Erbe grundsätzlich alle Rechtspositionen des Verstorbenen übernehme, die in seinen Nachlass fallen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Rechtsbeziehungen den Tod überdauern würden. Bei dem Facebook-Account handele es sich zwar um einen schuldrechtlichen Vertrag. Entscheidend sei jedoch die Vertragsnatur. Denn auch eine Vereinsmitgliedschaft als höchstpersönliches Recht gehe nicht auf den Erben über, sondern erlösche mit dem Tode. Facebook verstehe sich als „digitaler Schatten“ des Nutzers. Es sei nicht ausgeschlossen, dass daher mit dem Tod des Nutzers auch die Zugangsberechtigung enden müsse. Dabei verwies der Senat da-rauf, dass es hier nicht um eine E-Mail-Konto gehe, bei dem eher zu erwarten sei, dass auch wirtschaftlich wichtige Angelegenheiten Gegenstand des E-Mail-Verkehrs seien und diese daher auch dem Erben zur Verfügung stehen müssten.

Weiterhin betonte der Senat, dass es für die Vererblichkeit eines Profils im sozialen Netz-werk nicht darum gehen könne, das Konto aktiv weiterzuführen, sondern es stehe allein zur Diskussion, ob die Erben „passive Leserechte“ erwerben würden, ähnlich wie im Gesellschaftsrecht: Ein Gesellschaftsanteil sei zwar grundsätzlich nicht vererblich, der Erbe könne aber Auskunftsansprüche gegen die Gesellschaft geltend machen.

Wenn man davon ausgehe, dass der Vertrag mit Facebook nicht in das Erbe falle, neige der Senat dazu, im vorliegenden Fall aufgrund des Todes eines minderjährigen Kindes keine Besonderheiten gelten zu lassen. Zu Lebzeiten des Kindes sei zwar zu erwägen, dass Eltern Zugang zu Facebook erlangen dürfen, um ihr Sorgerecht für ihr Kind auszuüben, zum Beispiel, wenn Mobbing gegen das Kind oder durch das Kind im Raum stehe. Jedoch erlösche dieses Sorgerecht mit dem Tode des Kindes.

Zweites rechtliches Problemfeld

Wenn man die Vererblichkeit im Allgemeinen oder aufgrund der Besonderheiten des Falles bejahe, sei weiter zu entscheiden, ob es nach deutschem oder irischem Recht Verbotsvorschriften gebe, die es Facebook untersagen könnten, die Daten des verstorbenen Facebook-Nutzers den Erben als Dritten zur Kenntnis zu geben.

Wenn man davon ausgehe, dass die Eltern den Zugang zu Facebook im Sinne eines passiven Leserechts geerbt hätten, sei zu prüfen, ob Facebook trotzdem gehindert sei, die Daten an die Eltern als Erben weiterzugeben. Zum einen bestehe das Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz (TKG). Das Fernmeldegeheimnis habe allerdings seinen Ursprung in der Telefonie. Bei Telefongesprächen handele es sich um ein flüchtiges, also nicht aufgezeichnetes Gespräch unter zwei Gesprächspartnern handele und bei dem ein Mitschnitt nicht erwartet werde. Demgegenüber sei die Nutzung des Facebook-Kontos asynchron und es sei bekannt, dass die Daten gespeichert und ggf. an Dritte weitergeleitet würden.

Wenn man von der Anwendbarkeit des TKG ausgehe, komme in Betracht, dass die Nutzer auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses verzichtet haben. Insoweit stelle sich aufgrund unterschiedlicher älterer Urteile der obersten Gerichten zu analoger Technik die Problematik, ob Empfänger und Sender einer Nachricht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses verzichtet haben müssen oder ob es ausreiche, wenn nur Empfänger dies getan habe, zum Beispiel, indem er schon zu Lebzeiten seinen späteren Erben die Zugangsdaten zu seinem Account gegeben habe. Solches hat die Mutter im vorliegenden Fall behauptet und vorgetragen, ihre Tochter habe ihr die Zugangsdaten anvertraut. Da dies zwischen den Parteien streitig sei, müsse sogar Beweis erhoben werden, wenn dieser Punkt entscheidungserheblich werde.

Soweit Facebook sich auf die irischen Datenschutzbestimmungen berufen habe, sei zwar wohl irisches Recht auch anwendbar. Allerdings verhelfe dieses Recht allein nach vorläufiger Einschätzung des Senats nicht dazu, die Entscheidung des Landgerichts zu Gunsten von Facebook abzuändern.

Gericht:
Kammergericht, Aktenzeichen 21 U 9/16
Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens 21 W 23/16

Quelle: Kammergericht, PM 22/2017
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