Der Sachverhalt
Die Kläger führten ein ausführliches Lärmprotokoll und beantragten vor dem Amtsgericht Dieburg den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, auf seinem Hausgrundstück ab 20.00 Uhr Musik abzuspielen, die außerhalb seines Hausanwesens hörbar ist, also über Zimmerlautstärke hinausgeht.
Das Urteil des Amtsgerichts Dieburg
Nach Urteil des Amtsgerichts Dieburg (Urteil, Az. 20 C 607/16 (23)) haben die Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Unterlassung ruhestörender Musik. Der rechtliche Anspruch ergibt sich aus §§ 906 Abs. 1 i.V. mit 1004 Abs. 1 BGB, wonach Nachbarn zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind. Es besteht ein Anspruch auf Unterlassung ruhestörenden Lärmes über Zimmerlautstärke.
Zimmerlautstärke bedeutet nicht: Keinerlei Geräusche
Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Zimmerlautstärke" bedeutet nicht, dass keinerlei Geräusche mehr nach draußen dringen dürfen. Der Begriff der Zimmerlautstärke selbst ist nicht in Dezibel festgelegt. Er ist definiert als nicht unwesentliche Beeinträchtigung bei einer Musikwiedergabe von Tonträger oder anderer Lärmentwicklung, welche vom Nachbarn nicht mehr hinzunehmen ist, weil diese deutlich vernehmbar ist.
Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen"
Für die diesbezügliche Beurteilung ist nicht die besondere Empfindlichkeit bzw. Belastbarkeit des jeweils betroffenen Nachbarn maßgeblich, sondern nach der ständigen Rechtsprechung des BGH das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und dass, was diesem unter Würdigung anderer und privater Belange zuzumuten ist. Dabei setzt die Beurteilung eine Abwägung aller konkreten Umstände (z.B. Stärke, Dauer, Art, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit der Geräuschentwicklung) voraus, die für die Wahrnehmung der Geräusche durch einen durchschnittlichen Hörer von Bedeutung sind.
Nächtliche Musik über 40 dba gibt Nachbarn einen Unterlassungsanspruch
Der Antrag der Kläger neben dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Zimmerlautstärke" auch einen konkreten Schallwert in Dezibel aufzunehmen ist zulässig. Für die Vollstreckung benötigen die Kläger eine nachweisbare, messbare Beeinträchtigung. Hierzu sind Schallwerte gemessen in Dezibel (dbA) grundsätzlich geeignet. Ein Dezibelwert von 40 dbA ist dabei ein Wert, welche ruhige Gespräche und selbst leise Musik noch erlauben würde. Wenn dieser Wert jedoch überschritten wird liegt eine Störung der Nachtruhe vor, welche erheblich ist und nicht von den Klägern hingenommen werden muss. In der Zeit davor ist der dbA Wert von 55 ein noch zulässiger Wert für nachbarschaftliche Gespräche und Musik.
Lärmmessung durch Handy-App als Nachweis
Der gestellte Antrag ist auch vollstreckungsfähig. Die Kläger werden, sofern der Beklagte die Unterlassungsverpflichtung nicht befolgt, für die Vollstreckung den Nachweis durch konkrete Lärmmessungen zu erbringen haben, dass die Lärmwerte überschritten wurden. Dies kann durch Zeugenbeweis in Verbindung mit einer Lärmmessung durch gängige Handy-Apps erfolgen.
Themenindex:
Ruhestörung, Lärm, Unterlassungsanspruch
Gericht:
Amtsgericht Dieburg, Urteil vom 14.09.2016 - 20 C 607/16 (23)
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