Eine Frau verlangt vom Betreiber eines EMS-Fitnessstudios Schmerzensgeld von mindestens 50.000 Euro, Schadensersatz sowie eine Rente, weil sie sich aufgrund eines starken Stromschlages beide Schultern ausgerenkt und an den Oberarmköpfen Trümmerbrüche erlitten habe.

Der Sachverhalt

Die 1951 geborene Klägerin trainierte seit August 2013 bei der Beklagten, die ein so genanntes EMS-Training (Elektro-Myo-Stimulation) an Sportgeräten anbietet. Für das Training werden den Teilnehmern Elektroden angepasst und mittels Stromreizen die verschiedenen Körperteile des Trainierenden stimuliert.

Die Klägerin erschien in einem der Fitnessstudios der Beklagten, befestigte die erforderliche Ausrüstung an ihrem Körper und begann mit dem Training. Während des Trainings kam die Klägerin nach ihrer Behauptung versehentlich an den Regler für die Arme (nachfolgend: Regler 6), der sodann auf eine zu hohe Stromstärke eingestellt war. Ein Mitarbeiter der Beklagte wurde aufmerksam und stellte das Trainingsgerät ab. Die Klägerin behauptet, einen starken elektrischen Schlag erhalten zu haben, der eine Ausrenkung beider Schultern mit Trümmerbrüchen der Oberarmköpfe auf beiden Seiten verursacht habe. Sie leide noch heute an erheblichen Bewegungseinschränkungen und chronischen Schmerzen.

Die Klägerin verlangt ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000,00 EUR, den Ersatz von Haushaltsführungsschäden von knapp 3.500,00 EUR und eine vierteljährliche Rente von knapp 2.000,00 EUR.

Die Entscheidung

Das Kammergericht hat in Bestätigung des landgerichtlichen Urteils eine Haftung des Studiobetreibers verneint. Dem Studiobetrieber könne nicht vorgeworfen werden, die Klägerin nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass die Regler versehentlich verstellt werden könnten. Denn ein solch unterbliebener Hinweis wäre nicht ursächlich für die Verletzungen der Klägerin gewesen. Aus ihrem widersprüchlichen und unklaren Vorbringen könne nicht entnommen werden, dass sie den Regler tatsächlich versehentlich und nicht doch mit Absicht auf die höchste Stufe gedreht habe.

Verkehrssicherungspflichtverletzungen nicht hinreichend dargelegt

Die Klägerin habe bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Studiobetreiber seine Verkehrssicherungspflichten verletzt habe (§ 823 I BGB). Eine Hinweispflicht auf die Gefahr etwaiger erheblicher Verletzungen in Form von Knochenbrüchen etc. bei einem Hochdrehen der Reglerknöpfe auf höchste Stufe habe nicht bestanden. Denn der Betreiber habe vor dem Unfall keine Kenntnis von solchen Vorfällen gehabt bzw. habe auch nicht zumindest damit rechnen müssen.

Kein schuldhaftes Handeln des Studiobetreibers feststellbar

Eine Haftung des Studiobetreibers ergebe sich auch nicht aus dem Gesetz über Medizinprodukte und der entsprechenden Betreiberverordnung ( §§ 823 II BGB, 4, 6 MPG oder § 2 II MPBetreibVO). Das Gerät sei zwar ein aktives Medizinprodukt im Sinne dieser Vorschriften, da es therapeutischen Zwecken diene und in der Wirkung einer Medikamenteneinnahme vergleichbar sei. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass der Studiobetreiber schuldhaft gehandelt habe.

Betreiber hatte keine Kenntnisse über solche schweren Folgen

Er hätte zumindest den Verdacht haben müssen, die Gesundheit der Trainierenden werde in einem Maß gefährdet, das nach den medizinischen Erkenntnissen nicht mehr vertretbar wäre. Zwar liege nunmehr aufgrund des Unfalls auf der Hand, dass es bei dem Durchfluss von Strom in voller Stärke zu schweren Muskelkontraktionen kommen könne. Die Klägerin habe jedoch weder vorgetragen noch Beweis dafür angetreten, dass der Betreiber eine solche Kenntnis auch schon vor dem hiesigen Vorfall hatte oder zumindest mit diesen schweren Folgen hätte rechnen müssen

Gericht:
Kammergericht Berlin, Urteil vom 23.05.2016 - 20 U 207/15

Kammergericht, PM
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