Versäumt ein Arzt rechtzeitig bildgebende Befunde (z.B. Kernspintomographie) zu erheben, die eine frühere Behandlung eines Tumors mit dann weniger schwerwiegenden Folgen ermöglicht hätten, kann dies bei bleibenden Schäden ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro rechtfertigen, so das OLG Hamm.

Der Sachverhalt

Die im Jahre 1987 geborene Klägerin aus Steinfurt, seinerzeit Studentin der Tiermedizin, suchte in den Jahren 2009 und 2010 mehrfach den beklagten Orthopäden aus Steinfurt auf, weil sie u.a. Schmerzen im rechten Bein verspürte.

Der Beklagte diagnostizierte einen Kiefergelenkschaden, einen Kopfschmerz, eine Fibulaköpfchenblockierung und ein HWS-Syndrom. Er veranlasste entsprechende Behandlungen, die die Beschwerden der Klägerin nicht beseitigen konnten.

Zwei Jahre später: Kernspintomographie

Erst eine im Januar 2011 durchgeführte kernspintomografische Untersuchung ergab Anhaltspunkte für eine Tumorerkrankung, die sich nach ihrer operativen Versorgung im März 2011 als Synovialsarkom bestätigte.

In der Folgezeit stellte sich bei der Klägerin eine dauerhafte Fuß- und Großzehenheberschwäche ein. Mit der Begründung, der Beklagte habe es versäumt, rechtzeitig bildgebende Befunde zu erheben, die eine frühere Behandlung des Tumors mit dann weniger schwerwiegenden Folgen ermöglicht hätten, hat die Klägerin Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Nach der Entscheidung des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm kann die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro verlangen. Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sei die Klägerin vom Beklagten im März 2010 grob fehlerhaft behandelt worden.

Der Beklagte habe es zu diesem Zeitpunkt versäumt, die Beschwerden der Klägerin durch bildgebende Verfahren weiter abzuklären. Der vom Senat angehörte medizinische Sachverständige habe bestätigt, dass eine im März oder April 2010 durchgeführte Bildgebung einen behandlungsbedürftigen Tumorbefund ergeben hätte.

Der grobe Behandlungsfehler bewirke eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin. Zu ihren Gunsten sei davon auszugehen, dass die vom Beklagten zu vertretene zeitliche Verzögerung bei der Behandlung des Synovialsarkoms auch die später eingetretenen Komplikationen der Fuß- und Großzehenheberschwäche bewirkt habe.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei der grobe Behandlungsfehler generell geeignet gewesen, diesen Gesundheitsschaden bei der Klägerin hervorzurufen. Die um ca. 8 bis 9 Monate verzögerte Behandlung und das Tumorwachstum in dieser Zeit hätten die Voraussetzungen für eine erfolgreiche und komplikationsfreie Behandlung des Sarkoms verschlechtert.

Den aufgrund der Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin anzunehmenden Kausalzusammenhang habe der Beklagte nicht widerlegen können. Da die bei der Klägerin entstandene Fuß- und Großzehenheberschwäche bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sei und die Klägerin mit diesen Einschränkungen ihrer Beweglichkeit dauerhaft leben müsse, sei ein Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe gerechtfertigt.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18.02.2015 - 3 U 166/13

OLG Hamm, PM
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