In seinem Urteil weist der Gerichtshof erstens darauf hin, dass die Anwendung der Strafvorschriften im vorliegenden Fall voraussetzt, dass im Inland eine "Verbreitung an die Öffentlichkeit" im Sinne des Unionsrechts stattgefunden hat. Hierzu stellt er fest, dass ein Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und diese Mitglieder der Öffentlichkeit so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke von Werken liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine solche Verbreitung vornimmt. Im vorliegenden Fall weist der Gerichtshof den nationalen Gerichten die Aufgabe zu, zu beurteilen, ob Indizien vorliegen, die den Schluss zulassen, dass der betreffende Händler eine solche Verbreitung an die Öffentlichkeit vorgenommen hat.
Zweitens stellt der Gerichtshof fest, dass das strafrechtlich sanktionierte Verbot der Verbreitung in Deutschland eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt. Eine derartige Beschränkung kann jedoch zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein.
Die fragliche Beschränkung beruht nämlich darauf, dass die praktischen Bedingungen des Schutzes der betreffenden Urherberrechte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind. Diese Unterschiedlichkeit ist untrennbar mit dem Bestehen der ausschließlichen Rechte verknüpft. Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schutz des Verbreitungsrechts zu einer unverhältnismäßigen oder künstlichen Abschottung der Märkte führt. Die Anwendung strafrechtlicher Vorschriften kann nämlich als erforderlich angesehen werden, um den spezifischen Gegenstand des Urheberrechts zu schützen, das u. a. ein ausschließliches Verwertungsrecht gewährt. Die fragliche Beschränkung ist daher gerechtfertigt und steht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck.
Daher antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, einen Spediteur wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen, wenn diese Vervielfältigungsstücke in dem betreffenden Mitgliedstaat (Deutschland) im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat (Italien) aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist.
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Gericht:
Europäischer Gerichtshof, Urteil in der Rechtssache C-5/11
EuGH, PM Nr. 84/12
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