Mieter und Vermieter streiten über die Berechtigung der Vornahme einer Mietminderung durch die Mieterin wegen Baustellenlärms einer benachbarten Großbaustelle. Das Gericht hat eine Minderung für die Abriss und Grundarbeiten von 30% pro Monat und für die Hochbauarbeiten von 25% als angemessen erachtet.

Aus der Entscheidung

Baustellenlärm ist regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen haben, dass der im Rahmen dieser Vereinbarung näher zu definierende übliche Lärm geduldet werden muss. Üblicher Baulärm ist nicht grundsätzlich zu dulden.

Die Beweislast für die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms liegt beim Vermieter, soweit dieser sich auf die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms in Abwesenheit einer die Baumaßnahme erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung beruft.

Das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um für ihn zu dem positiven Ergebnis zu gelangen, dass kein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache vorliegt, ist ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (vgl. Landgericht München I, Az: 31 S 58/16, Urteil vom 27.10.2016, Seite 7; ebenso Klimesch, ZMR 2016, 516; MeyerAbich, NZM 2018, 427, 431). Dem Vermieter kommt damit letztlich dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB.

Differenzierte Beweislastverteilung

Vorliegend handelt es sich um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzten Mangel, welche auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser erhält zum einen die eigentliche tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter die Beweislast trägt und zum anderen muss hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies ist eine Ausnahme bei der kein Mangel vorliegt, für die die Darlegungs- und Beweislast der Vermieter trägt, da dies nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat, sondern es sich um einen den Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand handelt.

Dem Vermieter kommt damit letztlich dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu, wie einem Emittenten, im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden (BGH, Urteil vom 18. September 1984 - VI ZR 223/82). Danach sei es u.a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGB Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben.

Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grund8sätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten.

Ebensowenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks - wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine „größere Nähe“ bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine „ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“ (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB).

Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u.a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

Rechtsgrundlagen:
§ 536 Abs. 1 BGB
§ 906 BGB

Gericht:
Landgericht München I, Urteil vom 15.11.2018 - 31 S 2182/18

LG München I
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