Das hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 15. August entschieden, dessen Entscheidungsgründe nun veröffentlicht worden sind.
Der Sachverhalt
Aus dem Urteil geht hervor, dass die Klägerin die GEMA ist, die als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen File-Hosting-Dienst; sie stellt unter der Internetadresse www.rapidshare.com Speicherplatz im Internet zur Verfügung.
Die Nutzer des Dienstes können eigene Dateien auf der Internetseite der Beklagten hochladen, die dann auf deren Servern abgespeichert werden. Dem Nutzer wird ein Link übermittelt, mit dem die abgelegte Datei aufgerufen werden kann. Die Beklagte kennt weder den Inhalt der hochgeladenen Dateien, noch hält sie ein Inhaltsverzeichnis der Dateien vor. Spezielle Suchmaschinen (sog. "Linksammlungen") gestatten aber, nach bestimmten Dateien auf den Servern der Beklagten zu suchen.
Die GEMA macht geltend, 4.815 im Einzelnen bezeichnete Musikwerke seien ohne ihre Zustimmung über den Dienst der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden und könnten dort heruntergeladen werden. Die GEMA sieht darin eine Urheberrechtsverletzung und verlangt von der Beklagten Unterlassung.
Die Entscheidung
Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Soweit das Berufungsgericht auch ein Mitglied des Verwaltungsrats und einen früheren Geschäftsführer der Beklagten zur Unterlassung verurteilt hatte, hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil wegen fehlender Feststellungen zur Verantwortlichkeit dieser Personen für die Urheberrechtsverletzungen aufgehoben.
Der Bundesgerichtshof hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass File-Hosting-Dienste für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer als Störer auf Unterlassung haften, wenn sie nach einem Hinweis auf eine klare Urheberrechtsverletzung die ihnen obliegenden Prüfungspflichten nicht einhalten und es deswegen zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt (Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 - Alone in the Dark).
Bundesgerichtshof hat eine verschärfte Haftung abgeleitet
Bei der Konkretisierung dieser Prüfungspflichten ist davon auszugehen, dass das Geschäftsmodell der Beklagten nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt ist. Denn es gibt für ihren Dienst zahlreiche legale und übliche Nutzungsmöglichkeiten. Im vorliegenden Fall hat indessen das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte die Gefahr einer urheberrechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen gefördert hat. Daraus hat der Bundesgerichtshof eine gegenüber der Entscheidung "Alone in the Dark" (BGHZ 194, 339 Rn. 25 ff.) verschärfte Haftung der Beklagten abgeleitet.
Beklagte bietet einen anonymen Dienst - Steigerung der illegalen Nutzung
Anders als andere Dienste etwa im Bereich des "Cloud Computing" verlangt die Beklagte kein Entgelt für die Bereitstellung von Speicherplatz. Sie erzielt ihre Umsätze nur durch den Verkauf sog. Premium-Konten. Die damit verbundenen Komfortmerkmale führen dazu, dass die Beklagte ihre Umsätze gerade durch massenhafte Downloads erhöht, für die vor allem zum rechtswidrigen Herunterladen bereitstehende Dateien mit geschützten Inhalten attraktiv sind. Diese Attraktivität für illegale Nutzungen wird durch die Möglichkeit gesteigert, den Dienst der Beklagten anonym in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte geht selbst von einer Missbrauchsquote von 5 bis 6% aus, was bei einem täglichen Upload-Volumen von 500.000 Dateien ca. 30.000 urheberrechtsverletzenden Nutzungshandlungen entspricht.
Bei Hinweis auf Urheberrechtsverletzung muss Beklagte auch Linksammlungen überprüfen
Bei der Bestimmung des Umfangs der Prüfpflichten ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen fördert. Ist die Beklagte auf konkrete Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer hinsichtlich bestimmter Werke hingewiesen worden, so ist sie deshalb nicht nur verpflichtet, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren; sie muss darüber hinaus fortlaufend alle einschlägigen Linksammlungen darauf überprüfen, ob sie Links auf Dateien mit den entsprechenden Musikwerken enthalten, die auf den Servern der Beklagten gespeichert sind.
Die Beklagte hat über allgemeine Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Twitter mit geeigneten Suchanfragen und ggf. auch unter Einsatz von sog. Webcrawlern zu ermitteln, ob sich für die konkret zu überprüfenden Werke Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links zu ihrem Dienst finden. Diese Prüfpflichten bestehen im selben Umfang für jedes Werk, hinsichtlich dessen die Beklagte auf eine klare Verletzung hingewiesen worden ist. Die Prüfpflichten werden nicht dadurch geringer, dass die Beklagte auf eine große Zahl von Rechtsverletzungen - im Streitfall auf die Verletzung der Rechte an mehr als 4.800 Musikwerken - hingewiesen worden ist. Denn der urheberrechtliche Schutz darf nicht dadurch geschwächt werden, dass es im Rahmen eines an sich zulässigen Geschäftsmodells zu einer großen Zahl von Rechtsverletzungen kommt.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom selben Tag auch in zwei Parallelverfahren entsprechende Entscheidungen getroffen. Im Verfahren I ZR 79/12 hatten sich die Verlage de Gruyter und Campus dagegen gewandt, dass trotz entsprechender Hinweise auch weiterhin Bücher ihres Verlages bei der Beklagten heruntergeladen werden konnten. Im Verfahren I ZR 85/12 hatte sich der Senator Filmverleih dagegen gewandt, dass über den Dienst der Beklagten trotz eines Hinweises der Film "Der Vorleser" bei RapidShare heruntergeladen werden konnte.
Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.08.2013 - I ZR 80/12 - File-Hosting-Dienst
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