Schüleraustauschprojekte, die eine Schule jedes Jahr in der jeweiligen Klassenstufe anbietet, stellen keinen Sonderbedarf dar. Solch ein Bedarf muss überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar auftreten. Die regelmäßige Klassenfahrt oder Austauschprojekte sind jedoch vorhersehbar und damit nicht überraschend.

Der Sachverhalt

Der minderjährige Antragsteller beabsichtigt seinen barunterhaltspflichtigen Vater, u. a. auf Zahlung eines Betrages von 1.052,50 € als Sonderbedarf in Anspruch zu nehmen und beantragt auch Verfahrenskostenhilfe. In der Sache handelt es sich um die Hälfte der Kosten, die für Klassenfahrten nach Österreich und zum Biggesee sowie für Schüleraustauschprojekte in England und in China entstanden und von der Kindesmutter, die Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ist, getragen worden sind.

Das Amtsgericht wies den Verfahrenskostenhilfeantrag zurück. Bezüglich der Fahrt nach Österreich sei die Jahresfrist des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstrichen. Hinsichtlich der Fahrt nach China sei eine Notwendigkeit nicht vorgetragen. Hinsichtlich der Klassenfahrt zum Biggesee und des Englandaustausches handele es sich nicht um Sonderbedarf.

Mit sofortiger Beschwerde des Antragstellers macht dieser geltend, dass es sich bei den Kosten für die Klassenfahrten um Sonderbedarf handele.

Die Entscheidung

Nach der Entscheidung des Gerichts, handelt es sich insoweit nicht um Sonderbedarf i. S. v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift, nämlich das Vorliegen eines unregelmäßigen hohen Bedarfs, nicht gegeben sind.

Sonderbedarf nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen geschuldet


[...] Es muss sich hierbei um einen Bedarf handeln, der überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar auftritt. Unregelmäßig i. S. v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist dabei nur der Bedarf, der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deswegen bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte (BGH, Urteil vom 15.2.2006, XII ZR 4/04, FamRZ 2006, 612 ff.)[...]

Es fehlt das Merkmal des überraschenden Auftretens

[...] Hier fehlt es bereits am Merkmal des überraschenden Auftretens. Dies ist weder hinsichtlich des Englandaustausches noch hinsichtlich der Fahrt zum Biggesee der Fall. Der Englandaustausch ist an dem vom Antragsteller besuchten Gymnasium Bestandteil des regelmäßigen Schulprogramms für die jeweilige Klassenstufe. Entsprechendes gilt für die Klassenfahrt, hier zum Biggesee, die, als regelmäßig in der jeweiligen Klassenstufe stattfindend, vorhersehbar und damit nicht überraschend ist. Nach dem diesbezüglichen Schreiben der Schule aus September 2010 findet die Jahrgangsstufenfahrt 10 seit sieben Jahren statt. Der Anspruch auf den geltend gemachten Sonderbedarf scheidet daher – unabhängig von der Frage der außergewöhnlichen Höhe des Bedarfs – bereits deswegen aus, weil die geltend gemachten zusätzlichen Kosten mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen waren (vgl. BGH a. a. O., S. 613) [...]

Rücklagenbildung ist zumutbar

[...] Auf die Frage, ob es sich bei den Kosten für den Englandaustausch 2010 in Höhe von insgesamt 200,- € und für die Fahrt zum Biggesee in Höhe von insgesamt 130,- € um einen außergewöhnlich hohen Bedarf i. S. v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelte, kommt es danach nicht an. Wann dies der Fall ist, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Höhe der laufenden Unterhaltsrente und der sonstigen Einkünfte des Berechtigten, dem Lebenszuschnitt der Beteiligten sowie dem Anlass und dem Umfang der besonderen Aufwendungen. Letztlich richtet sich die Frage, ob ein Bedarf außergewöhnlich hoch ist, danach, ob und inwieweit dem Berechtigten, wenn der Verpflichtete an sich leistungsfähig ist, bei einer Gesamtbetrachtung zugemutet werden kann, den Bedarf selbst zu bestreiten (BGH a. a. O.). Angesichts des nach der fünften Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle gezahlten Unterhalts und der Gesamtkosten von 330,- € neigt der Senat dazu, es für zumutbar zu halten, aus den laufenden Unterhaltszahlungen monatliche Rücklagen in Höhe von jeweils 27,50 € zu bilden [...]

Vorinstanz:
Amtsgericht Marl, 11 F 110/10

Gericht:
OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2010 - II-2 WF 285/10

Rechtsindex, LG Hamm
Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de