Fall 1: Das verschwundene Pfandgeld
In einem Getränkemarkt war es zu einer Leergutdifferenz von über 7.000 Euro gekommen. Kontrollen des Lagerbestandes und des Warenausgangs brachten kein Ergebnis. Die Geschäftsleitung ließ heimlich eine vierwöchige Videoüberwachung des Kassenbereichs durchführen. Die Aufnahmen zeigten, dass eine Kassiererin Münzen in einem Plastikbehälter unter der Kasse aufbewahrte und sich daraus wiederholt Münzen herausnahm. Der Arbeitgeber kündigte der Frau sowohl außerordentlich und fristlos als auch ordentlich. Die Kassiererin klagte gegen die Kündigung: Es sei im Betrieb üblich, von Kunden zurückgelassenes Wechselgeld auf diese Weise aufzubewahren. Einzelne Münzen habe sie nur als Pfand für einen Einkaufswagen benötigt, um schwere Kasseneinsätze mit Kleingeld zur Aufbewahrungsstelle zu transportieren.
Das Bundesarbeitsgericht sah die fristlose Kündigung als unwirksam an. Der Umgang mit zurückgelassenem Wechselgeld sei nicht eindeutig geregelt gewesen, auch ginge es hier allenfalls um einen geringen Schaden in Gestalt weniger Münzen. Der Verzicht auf eine Kündigungsfrist sei nicht gerechtfertigt. Auch die ordentliche Kündigung erkannte das Gericht nicht an. Denn die Videoaufnahmen durften nicht als Beweismittel verwendet werden. Eingriffe in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen Bild durch heimliche Videoüberwachung und die Verwertung der Aufzeichnungen seien nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestehe und weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung ergebnislos ausgeschöpft seien. Die verdeckte Videoüberwachung stelle das letzte Mittel dar. Im vorliegenden Fall habe es keinen ausreichenden Tatverdacht gegeben, um eine heimliche Videoaufzeichnung zu rechtfertigen. Es sei nicht geklärt, welche anderen Maßnahmen der Arbeitgeber zur Aufklärung der Inventurdifferenzen getroffen habe. Als milderes Mittel seien stichprobenartige Kontrollen möglich gewesen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, Az. 2 AZR 797/11).
Fall 2: Private E-Mails auf dem Betriebscomputer
Auf die Frage, ob der Chef private E-Mails von Mitarbeitern lesen darf, gibt es keine einfache Antwort. Denn nach wie vor ist umstritten, ob hier das Telekommunikationsgesetz und damit auch das Fernmeldegeheimnis zur Anwendung kommt. Als Faustregel lässt sich festhalten: Ist die private Internetnutzung im Betrieb generell verboten, darf grundsätzlich jede E-Mail vom Arbeitgeber gelesen werden. Ausnahme: Sie ist erkennbar als privat gekennzeichnet, zum Beispiel in der Betreffzeile. Ist die private Internetnutzung im Betrieb gestattet, kommt es oft auf die genaue Regelung – zum Beispiel in einer Betriebsvereinbarung – an. Generell gilt, dass der Arbeitgeber bei erlaubter Privatnutzung nicht auf das E-Mailkonto des Mitarbeiters zugreifen darf, da ja jederzeit private Nachrichten darunter sein könnten. Ein Ausnahmefall kann jedoch vorliegen, wenn die Interessen des Arbeitgebers überwiegen.
In einem vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg verhandelten Fall war eine Vertriebsmitarbeiterin zwei Monate lang krank gewesen und hatte nicht auf die Nachfragen des Arbeitgebers hinsichtlich Zugriffs auf ihr E-Mail-Konto reagiert. Ihr war die Privatnutzung gestattet. Zwar war das Gericht hier der Ansicht, dass der Arbeitgeber grundsätzlich das Fernmeldegeheimnis nicht beachten müsse. Es stellte aber zusätzlich fest, dass bei einer derart langen Abwesenheit das Interesse des Arbeitgebers am ungestörten Arbeitsablauf und damit am Zugriff auf E-Mails von Kunden das Interesse der Arbeitnehmerin an ihrer Privatsphäre überwiege (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011, Az. 4 Sa 2132/10).
Fall 3: Zugriff auf den Browserverlauf
In einem anderen Fall des LAG Berlin-Brandenburg ging es um einen Arbeitnehmer, der im Verdacht stand, seine Arbeitszeit intensiv für die private Internetnutzung zu verwenden. In dem Betrieb war die private Internetnutzung zwar gestattet, aber nur in geringem Umfang während der Pausen. Nachdem es anderweitige Hinweise auf eine umfangreiche private Nutzung gab, wertete der Arbeitgeber ohne Wissen des Mitarbeiters dessen Browserverlauf aus. Als sich herausstellte, dass auf die letzten 30 Tage Arbeit fünf Tage private Internetnutzung kamen, folgte die fristlose Kündigung. Der Mitarbeiter hielt diese für unwirksam.
Das Gericht war anderer Ansicht: Zwar handle es sich beim Browserverlauf um persönliche Daten. Ein heimlicher Zugriff auf den Browserverlauf sei jedoch zum Zweck der Missbrauchskontrolle datenschutzrechtlich zulässig. Ein milderes Mittel sei hier nicht in Frage gekommen. Der Browserverlauf durfte damit als Beweismittel verwendet werden, die Kündigung wegen der privat genutzten Arbeitszeit war wirksam. Allerdings ließ das Gericht die Revision zu (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016, Az. 5 Sa 657/15).
Quelle: D.A.S. Rechtsschutz Leistungs-GmbHD.A.S. Rechtsschutzversicherung - www.das.de
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