Eine freundliche Toilettenaufsicht im weißen Kittel, sitzend an einem kleinen Tisch. Auf dem Tisch ein kleiner Teller mit ein paar Münzen. Viele Toilettennutzer geben ein Trinkgeld. Im verhandelten Fall des ArbG Gelsenkirchen floss das "Trinkgeld" aber dem Reinigungsunternnehmen zu...

Der Sachverhalt

Im verhandelten Fall des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen übte die Klägerin bis Ende Juni 2013 in einem Einkaufs- und Freizeitzentrum in Oberhausen die sog. Tätigkeit der "Sitzerin" aus. Eingesetzt wurde die Frau über das vom Einkaufszentrum beauftragte Reinigungsunternehmen.

Das Einkaufszentrum erhebt von den Besuchern für die Nutzung der Toilettenanlagen kein Entgelt. In den Eingangsbereichen der Toilettenanlagen sind dennoch auf kleinen Tischen Sammelteller aufgestellt, auf denen Toilettenbesucher einen Geldbetrag hinterlassen können.

Die Aufgabe der Toilettenaufsicht

Hauptaufgabe der Klägerin war es, sich ständig an einem dieser Tische mit Sammelteller aufzuhalten, dabei einen weißen Kittel zu tragen, das Geld, welches die Toilettenbesucher freiwillig auf den Teller legten, dankend entgegen zu nehmen, dieses regelmäßig bis auf wenige Geldstücke abzuräumen, zunächst in ihre Kitteltasche zu stecken und je nach Aufkommen mehrmals je Schicht in einen Tresor des Reinigungsunternehmens einzulegen. Mit Reinigungsarbeiten war die Klägerin, die einen Stundenlohn von 5,20 Euro brutto erhielt, nicht betraut. Sie hatte jedoch die Toilettenanlagen zu kontrollieren und im Bedarfsfall das Reinigungspersonal zu rufen.

Arbeitsanweisung des Reinigungsunternehmens

Nach einer schriftlichen Arbeitsanweisung des Reinigungsunternehmens sind die "Sitzerinnen" gehalten, gegenüber den Besuchern nicht zu offenbaren, dass sie keine Reinigungstätigkeiten ausüben. Auf etwaige Fragen der Besucher nach dem Verwendungszweck des Geldes soll mit dem Hinweis, dass selbiges dem Reinigungsunternehmen zufließe, welches daraus u. a. die Personalkosten bestreite, geantwortet werden.

Trinkgelder fließen dem Reinigungsunternehmen zu

Entsprechende gemeinsame Hinweisschilder von dem Einkaufszentrum und dem Reinigungsunternehmen, welche im Jahre 2009 - nach Angaben des Unternehmens direkt über den Tellern, nach Angaben der Klägerin an kaum einsehbarer Stelle - angebracht waren, sind unstreitig bereits im Laufe des Jahres 2012 demontiert worden. Nach Angaben des Reinigungsunternehmens erfolgte dies im Zuge von Umbau- und Renovierungsarbeiten.

Toilettenfrau sieht eine Beteiligung an den erziehlten Einnahmen

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie an den in den Monaten Mai und Juni 2013 über die Teller erzielten Einnahmen teilhaben müsse. Den Besuchern werde zielgerichtet suggeriert, dass freiwillig ein Trinkgeld für das Reinigungs- und Aufsichtspersonal gegeben werde könne. An diese Zweckbestimmung sei das Reinigungsunternehmen gebunden. Trinkgeld stehe nach Maßgabe gewerbe- und steuerrechtlicher Bestimmungen allein den Arbeitnehmern zu.

Stufenklage auf Auskunft über Höhe der Trinkgeldeinnahmen

Da sie nicht wissen könne, wie hoch genau die Einnahmen gewesen seien, habe das Unternehmen im Rahmen einer Stufenklage zunächst Auskunft über die Höhe der Trinkgeldeinnahmen zu erteilen, von den sie dann später in einer weiteren Stufe einen bezifferten Anteil von 1/20 beanspruchen werde. Die Klägerin geht davon aus, dass an normalen Tagen mehrere hundert, an Spitzentagen mehrere tausend Euro über die Teller erwirtschaftet werden.

Für das Reinigungsunternehmen sei es kein Trinkgeld

Das Reinigungsunternehmen hält die Klage für insgesamt unbegründet. Es handle sich - auch nach der Vorstellung der Toilettenbesucher - nicht um ein Trinkgeld für das Personal, sondern vielmehr um ein freiwilliges Nutzungsentgelt. Dieses stehe allein dem Reinigungsunternehmen zu, worüber man das eingesetzte Personal nie im Zweifel gelassen habe. Man sei gegenüber dem Centro Oberhausen verpflichtet, ständig das der Sicherheit und dem Wohlbefinden der Besucher dienende Aufsichtspersonal einzusetzen. Dessen Arbeitslohn werde aus vollständig aus den Einnahmen über das freiwillige Nutzungsentgelt bestritten und nicht vom Centro Oberhausen refinanziert, womit sich das Ganze ohnehin als Zuschussgeschäft darstelle.

Toilettenfrau hat Anspruch auf Auskunft

Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen hat der Klägerin mit Teilurteil vom 21.1.2014, gegen welches das Reinigungsunternehmen gesondert Rechtsmittel einlegen kann, zunächst den Auskunftsanspruch zugesprochen. Die Kammer geht danach davon aus, dass der Klägerin ein der Höhe nach noch unbestimmter Zahlungsanspruch gegen das Reinigungsunternehmen zusteht.

Gericht:
Arbeitsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 21.1.2014

ArbG Gelsenkirchen
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