Das Bundesarbeitsgericht hat am 12.01.2011 (Az: 7 ABR 34/09) entschieden, dass den Betriebsräten bei der Zuordnung von Arbeitnehmern zu den Entgeltgruppen des ERATarifvertrages der Metall u. Elektroindustrie BadenWürttemberg auch bei Ein und Umgruppierungen ein Beteiligungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zusteht.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Waterkamp
Nach der Einführung des Entgeltrahmentarifvertrages in Baden-Württemberg herrschte auf Seiten vieler Betriebsräte eine große Unzufriedenheit mit dem neuen Tarifmodell. Neben vieler anderer Punkte war ein Grund dafür auch die Erklärung von IG Metall und Südwestmetall in dem ERA-Tarifvertrag, dass nach diesem kein besonderer Eingruppierungsvorgang, also keine Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Entgeltgruppe, mehr stattfinde und daher auch kein Verfahren nach § 99 BetrVG bezüglich einer Eingruppierung/Umgruppierung mehr in Betracht komme.
Stattdessen haben die Tarifvertragsparteien ein Reklamationsverfahren in den ERA-Tarifvertrag hinsichtlich von fehlerhaften Zuordnungen von Arbeitnehmern zu Entgeltgruppen eingeführt. Aus Sicht vieler Betriebsräte ist dieses Verfahren allerdings kein gleichwertiger Ersatz für das gesetzliche Beteiligungsverfahren des § 99 BetrVG.
Daher beauftragte ein Betriebsrat aus der Metall- u. Elektrobranche in Baden-Württemberg Rechtsanwalt Stefan Waterkamp im Jahre 2007 mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens zur Feststellung, dass auch unter dem ERA-TV die volle Mitbestimmung der Betriebsräte aus § 99 BetrVG vorliege. Das Ziel war die Feststellung, dass durch den neuen Entgelttarifvertrag keine Beschneidung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte eingetreten ist.
Das Arbeitsgericht Stuttgart, Kammern Aalen, und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg lehnten den Antrag des Betriebsrates in I. und II. Instanz ab.
Am 12.01.2011 fand der Verhandlungstermin vor dem 7. Senat des Bundesarbeitsgerichtes in Erfurt statt. Dieses hob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg auf und änderte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart im Sinne des antragstellenden Betriebsrates ab.
Rechtsanwalt Stefan Waterkamp, Kanzlei Rochow & Kollegen, Hamburg, erklärt hierzu:
„Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten, wonach die Betriebsräte auch in den Fällen den Arbeitgeber zu kontrollieren haben, wenn dieser nur noch einen geringen Spielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern in ein tarifliches Entgeltsystem hat.
Entgegen der Ansicht der Tarifvertragsparteien der Metall- und Elektrobranche in Baden-Württemberg, der IG Metall und Südwestmetall, sowie der Arbeitgeberseite in diesem Verfahren, gilt dieses auch bei der neuartigen Entgeltsystematik des ERA-TV.
Die Besonderheit dieses Tarifvertrages ist, dass in diesem nicht mehr selbst ein Schema mit Lohngruppen und dazu gehöriger Beschreibung der Tätigkeiten enthalten ist, sondern nur als Anlage „Niveaubeispiele“ für die Arbeitsaufgaben in einem „Musterbetrieb“. Der ERA-TV enthält darüber hinaus ein Verfahren, wie diese Niveaubeispiele auf die jeweiligen Betriebe übertragen werden können. Somit erhält durch den ERA-TV jeder tarifgebundene Betrieb der Metall- und Elektrobranche in Baden-Württemberg ein eigenes Entgeltsystem.
Nach Auffassung der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeberseite sollte dieses dazu führen, dass zwingend feststehe, welcher Arbeitsplatz mit welcher Entgeltgruppe vergütet werde. Ein Spielraum des Arbeitgebers im Sinne einer Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers in eine tarifliche Entgeltsystematik sollte nicht mehr vorliegen. Zudem sei mit dem tarifvertraglichen Reklamationsverfahren ein ausreichender Rechtsschutz für den Betriebsrat und den Arbeitnehmer gewährleistet.
In dem Anhörungstermin vor dem Bundesarbeitsgericht wurde deutlich, dass das Bundesarbeitsgericht sich dieser Rechtsauffassung nicht anschließen wollte. Die Richterinnen und Richter des 7. Senats sahen es als überzeugend an, dass, wie von Rechtsanwalt Waterkamp vorgetragen, die neue Entgeltsystematik des ERA-TV nichts daran ändert, dass es weiterhin einen Zuordnungsvorgang des Arbeitnehmers zu der Entgeltgruppe gibt. Dieser ist in der Regelung des § 9.2 des ERA-TV zu sehen. Danach teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer und dem Betriebsrat die sich aus der Einstufung der Arbeitsaufgabe ergebende Entgeltgruppe mit.
Da es bei diesem Zuordnungsvorgang, was zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens unstreitig war, zu möglichen Fehlern oder falschen Zuordnungen, sei es absichtlich oder durch ein Versehen, kommen kann, ist nach der Entscheidung des BAG eine Richtigkeitskontrolle durch den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG auch weiterhin erforderlich.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.01.2011 ist für die Betriebsräte der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg von großer Bedeutung. Die bisherigen Erfahrungen der Betriebsräte mit dem tarifvertraglichen Reklamationsverfahren waren zumeist negativ. Nunmehr können die Betriebsräte, wie bisher, das Verfahren nach dem BetrVG mit den gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten betreiben.
Die Tarifvertragsparteien sind an ihrem Ziel, einen Tarifvertrag zu schmieden, der das vom Gesetzgeber vorgesehene Beteiligungsverfahren der Betriebsräte tatbestandlich ausschließt, letztlich gescheitert.
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 12.01.2011 ist ein großer Erfolg für die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte.“
Für Rückfragen und Erklärungen steht Ihnen Rechtsanwalt Stefan Waterkamp unter folgender Anschrift und Telefonnummer zur Verfügung:
Rechtsanwalt
Stefan Waterkamp
in Kanzlei RAe. Rochow & Kollegen
Schloßmühlendamm 16
21073 Hamburg
Tel: 040 - 77 19 87, 88, 89
Fax: 040 - 77 47 93
Die Pressemitteilung des BAG zu diesem Fall ist auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichtes abzurufen (Pressemitteilung Nr.2/11).
Volle Mitbestimmung der Betriebsräte bei Ein- und Umgruppierungen
- Rechtsanwalt Stefan Waterkamp
- Kategorie: Arbeitsrecht
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