Verkehrssicherungspflicht - Wer auf einem Bolzplatz eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, hat die allgemeine Rechtspflicht, die Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar sind, um Schädigungen Dritter möglichst zu verhindern.

Er haftet aber nur dann wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht aus § 823 Abs. 1 BGB, wenn die naheliegende Gefahr bestand, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden können und der tatsächlich zu Schaden gekommene Dritte zu dem Personenkreis gehört, mit dessen Gefährdung üblicherweise zu rechnen ist. Beide Haftungselemente haben hier nach Auffassung des Gerichts vorgelegen.


Der Sachverhalt

Im Sommer 2004 erlitt der damals 20-jährige Kläger beim Fußballspielen auf dem Bolzplatz einer kleinen Gemeinde in Ostthüringen einen Unfall. Hierbei verletzte er sich erheblich (querlaufende Prellmarke am Hals, Schürfwunden und Schwellungen in Augenhöhe im Gesicht und am Ellenbogen). Der Bolzplatz war umrandet mit einem Maschendrahtzaun, der sich aufgrund von Vandalismus seit längerem in einem verwahrlosten Zustand befand; an manchen Stellen existierten nur noch vereinzelte Spanndrähte. An einem solchen einzelnen Spanndraht verletzte sich der Kläger, als er dem über das Spielfeld hinaus geschossenem und durch den schadhaften Zaun nicht aufgefangenem Ball hinterher sprang. Im Spieleifer achtete er nur auf den Ball und lief (mit dem Hals) gegen den Spanndraht; durch die Wucht des Aufpralls fiel er ungebremst zu Boden.

Vorinstanz weist Klage ab


Wegen seiner Verletzungen hat der Kläger von der Gemeinde Schmerzensgeld (1.500 €) verlangt. Das Landgericht hat die Klage im Juni 2009 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

Die Entscheidung

Das Thüringer Oberlandesgericht (THOLG) hat ihm nun in der zweiten Instanz ein Schmerzensgeld von 1.000 € zugesprochen.

Der 4. Zivilsenat hat festgestellt, die Benutzung des Bolzplatzes sei wegen der stark beschädigten Zaunanlage gefährlich gewesen. Deshalb und weil sie als Eigentümerin und Betreiberin des Bolzplatzes ihren Sicherungspflichten nicht genügend nachgekommen sei, hafte die Gemeinde.

Zwar könne und müsse nicht jeder abstrakten Gefahr vorgebeugt werden; (auch) eine Sport- und Spielanlage müsse sich aber in einem technisch einwandfreien Zustand befinden. Da die Gemeinde den schadhaften und gefährlichen Zustand des Zaunes gekannt und „den ständigen Vandalismus quasi sehenden Auges toleriert habe, ohne den Zaun ganz zurück zu bauen oder durch einen stabileren zu ersetzen“, hafte sie wegen Verletzung ihrer allgemeinen (privatrechtlichen) Verkehrssicherungspflicht.

„War die Zaunanlage mit den zumutbaren Haushaltsmitteln nicht in einem gefahrlosen Zustand zu halten, hätte der stark beschädigte Zaun insgesamt abgebaut oder der Bolzplatz ganz geschlossen werden müssen“, heißt es im Urteil.


Weil der Kläger den schadhaften Zustand des Zaunes kannte, gab es allerdings Abstriche bei der Höhe des Schmerzensgeldes. Auch wenn er die Gefahr im Eifer des Gefechts nicht richtig eingeschätzt und beachtet habe, den einzelnen Spanndraht in der Spielsituation möglicherweise gar nicht wahrgenommen habe, sei er – so der 4. Zivilsenat – an dem Unfall doch in erheblichem Maße selbst schuld.

Rechtsgrundlagen:
BGB § 823
BGB § 254

Vorinstanz:
Landgericht Gera, Urteil vom 10.06.2009, Az.: 3 O 3 O 701/07

Gericht:
Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10.02.2010, Az.: 4 U 594/09 (rechtskräftig)

Quelle: Thüringer Oberlandesgericht