In einem Fahrzeug war eine Dashcam angebracht, die sich mittels eines Bewegungssensors automatisch einschaltete. Nachdem Kratzer am Fahrzeug festgestellt wurden, waren nach Auswertung der Videoaufzeichnungen die Nachbarn im Fokus. Diese erstatteten jedoch Anzeige gegen die Dashcam-Aufzeichnung.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall des Landgerichts Memmingen (Urteil, Az. 22 O 1983/13) wurde eine im Pkw installierte Dashcam zur Überwachung des Straßenraums eingesetzt. Die Dashcam war an der Windschutzscheibe befestigt und schaltete sich automatisch per Bewegungsmelder ein. Die Vorgänge in Blickrichtung der Kamera wurden dann jeweils über einige Minuten aufgezeichnet. Bei einem vollen Speicher wurden die Daten überschrieben. Auf das Vorhandensein der Bordkamera wies ein kleines Schild an einem Fahrzeugfenster hin.

Die Beklagte parkte regelmäßig ihren Pkw gegenüber der Einmündung bzw. schräg gegenüber des Anwesens der Nachbarn. Die Beklagte stellte eines Tages Kratzer an ihrem Fahrzeug fest. In der Videoaufzeichnung war zu erkennen, wie eine Frau in das Fahrzeug der Nachbarn steigt, am Fahrzeug der Beklagten vorbeifährt und dabei den Arm durch das geöffnete Fenster in Richtung des Pkw des Beklagten streckt. Die Beklagte erstatte Anzeige gegen ihre Nachbarn und übergab die Videoaufzeichnung der Polizei.

Die Nachbarn (nachfolgend Kläger) erstatteten jedoch gegen die Beklagten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Videoaufnahmen. Die Kläger sehen in der Nutzung der Bordkamera mit der Möglichkeit insbesondere den Eingang zu ihrem Wohnanwesen zu überwachen eine Verletzung ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts. Die Klägerin bestreitet eine Sachbeschädigung des Fahrzeugs des Beklagten durch sie. Die von den Beklagten gefertigten Aufnahmen zeigten nicht die Klägerin. Die Kläger verlangen u.a. die Unterlassung der Videoaufnahmen.

Das Urteil des Langdgerichts Memmingen (22 O 1983/13)

Nach Urteil des Landgerichts Memmingen (Az. 22 O 1983/13) haben die Kläger aufgrund der §§ 1004 I, 823 I, II BGB, 6b I BDSG einen Anspruch auf Unterlassung der Fertigung von Videoaufnahmen von Ihnen und des Straßenraums zu ihrem Wohngrundstück, wie auch der Vorhaltung einer aufnahmebereiten Bordkamera im dortigen Bereich.

Beobachtung nicht gem. § 6b I BDSG gerechtfertigt

Eine derartige Beobachtung des öffentlichen Straßenraums und des Zugangs zum Privatgrundstück der Kläger verstößt gegen das Recht der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung, denn sie ist nicht gem. § 6b I BDSG gerechtfertigt. Soweit die Beklagten der Ansicht sind, dass aus § 6b II BDSG zu folgern sei, dass die Vorschrift nur auf stationäre Kameras anzuwenden sei, so ist dem nicht zu folgen. Diese Auslegung ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen (vgl. VG Ansbach, DAR 2014, 663 ff). Zudem wird die Kamera im konkreten Fall tatsächlich auch stationär verwendet, da aus dem über längere Zeit am gleichen Ort parkenden Fahrzeug heraus gefilmt wird.

Schutzwürdige Interessen der Beklagten überwiegen nicht

Da die Beobachtung weder zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen oder zur Wahrnehmung des Hausrechts der Beklagten diente, wäre sie nur zulässig zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Beklagten überwiegen. Letzteres war vorliegend nicht der Fall. Den Klägern ist es nicht zumutbar sich oder ihre Besucher ständig der Gefahr einer Beobachtung mittels Videokamera ausgesetzt zu sehen (vgl. BGH NJW 1995, 1955ff). Die bloße theoretische Möglichkeit des Notwendigwerdens einer Beweisführung aufgrund der generellen Gefährlichkeit des Straßenverkehrs oder der Möglichkeit von Vandalismus, genügt nicht für ein überwiegendes Interesse der Beklagten zu diesem Zwecke zu beliebige Zeitpunkten den Zugang zum Anwesen der Kläger zu überwachen (vgl. AG München, ZfSch 2014, 692 LG Heilbronn, NJW-RR 2015, 1019). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine gerichtliche Beweisführung in naher Zukunft unmittelbar erforderlich würde, bestanden für die Beklagte in der Vergangenheit nicht.

Verbotswidrig erlangtes Beweismittel

Selbst wenn die Videoaufnahme eine Sachbeschädigung seitens der Klägerin am Fahrzeug der Beklagten zeigen würde, so stünde dies dem Unterlassungsanspruch beider Kläger nicht entgegen. Es besteht nämlich insoweit ein Beweiserhebungsverbot in Bezug auf die fragliche Videoaufnahme, so dass der Nachweis der Sachbeschädigung seitens der Klägerin und eine entsprechende Wiederholungsgefahr durch die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht geführt ist. Die Videoaufnahme ist unter Verstoß gegen § 6b I BDSG erlangt. Verbotswidrig erlangte Beweismittel sind nur ausnahmsweise verwertbar, wenn der geschützten Eigensphäre überwiegende Interessen gegenüberstehen (vgl. AG München, a. a. O.). Solche überwiegenden Interessen der Beklagten liegen nicht vor. Die Zulassung einer derart rechtswidrig erlangten Videoaufnahme würde zu einer weiteren Verbreitung von Dash-Cams und daher einer dauerhaften und flächendeckenden Überwachung im öffentlichen Verkehr führen, so dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung völlig ausgehöhlt würde. Dem muss durch ein Beweiserhebungsverbot Einhalt geboten werden, sofern es nicht um wesentlich bedeutendere Rechtsgüter als den bloßen Eigentumsschutz geht.

Gericht:
Landgericht Memmingen, Urteil vom 14.01.2016 - 22 O 1983/13

LG Memmingen
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