Nach einer konkreten Schadensbezifferung gegenüber der KFZ-Haftpflichtversicherung sollte ein Rechtsanwalt mindestens 4 Wochen abwarten, bevor er eine Klage einreicht. Auch bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen ist dem Haftpflichtversicherer eine Prüfungsfrist von 4 Wochen zu gewähren.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen ein Prüfungszeitraum des Haftpflichtversicherers von 4 bis 6 Wochen abgewartet werden muss (KG Berlin VersR 2009, 1262, LG Karlsruhe VersR 1969, 865; OLG Hamm, VersR 1971, 187; LG München VersR 1973, 87; LG München VersR 1974, 69; OLG Köln VersR 1974, 268; OLG Schleswig VersR 1974, 271; OLG Nürnberg VersR 1976, 1052; OLG München VersR 1979, 479; OLG Karlsruhe, LG Hannover ZfS 1986, 176, Schaden-Praxis 2003, 391; OLG Düsseldorf DAR 2007, 611; vgl. auch Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 6 Rn. 60 f m.w.N. und Himmelreich/Halm-Kuhn, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 2009, A 173).

Die Praxis der Schadensregulierung geht im Allgemeinen nicht von starren Bearbeitungsfristen aus. Es hängt vielmehr von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls ab, welche Regulierungsfrist angemessen ist. Dem Haftpflichtversicherer des Ersatzpflichtigen ist jedoch regelmäßig - d.h. selbst bei einfachen Sachverhalten - eine Bearbeitungszeit von einigen Wochen einzuräumen (Himmelreich/Halm-Kuhn a.a.O., A 179 m.w.N.).

Mindestens 4 Wochen Bearbeitungsfrist des Haftpflichtversicherers nach konkreter Schadensbezifferung

Der Kfz-Haftpflichtversicherung ist eine Prüfungsfrist von mindestens 4 Wochen ab konkreter Schadensbezifferung einzuräumen. Bei der Bearbeitung von Schadensersatzforderungen im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen handelt es sich um ein Massengeschäft der Haftpflichtversicherer. In ihrer betriebsinternen Organisation müssen sie personelle Schwankungen sowie die Schwankungen der Anzahl der an sie herangetragenen Schadensregulierungen berücksichtigen. Es ist einem Versicherungsunternehmen daher nicht zuzumuten, jeweils sicherzustellen, innerhalb einer kürzeren Frist die Schadensregulierung abzuwickeln. Umgekehrt ist es dem Anspruchsteller schon deshalb zuzumuten, mit seiner Klagerhebung eine Mindestfrist von 4 Wochen ab konkreter Schadensbezifferung abzuwarten, da in der Regel die Reparaturwerkstätten nicht auf sofortiger Bezahlung bestehen, wenn die Reparatur über eine Versicherung abgerechnet wird.

Die der Versicherung zuzugestehende Prüfungs- und Bearbeitungsfrist kann auch nicht dadurch abgekürzt werden, dass die verschiedenen Schadenspositionen sukzessive geltend gemacht werden oder möglichst frühzeitig Vorschusszahlungen eingefordert werden. Letztlich wird durch ein solches Vorgehen der Anspruchsteller nur unnötiger Aufwand verursacht, der letztlich nur zu einer weiteren Verzögerung der eigentlichen Schadensbearbeitung führt.

Auch in durchschnittlichen Schadensfällen sei dem Haftpflichtversicherer eine Prüfungsfrist von 4 Wochen ab Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens zu gewähren.

Fazit:

Man sollte mindestens 4 Wochen nach konkreter Schadensbezifferung mit der Klageerhebung abwarten. Im vorliegenden Fall hatte nach vorausgegangenem Anerkenntnisteilurteil das Landgericht Rottweil im Schlussurteil dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 93 ZPO). Zu Recht, wie das OLG Stuttgart bestätigte.

Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010 - 3 W 15/10

Quelle: OLG Stuttgart, Volltext 3 W 15/10
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